Ach, Thomas!
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Freiwillig? Naja…
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… oder Zölibatversteher Teil 1

Kürzlich hat Matthias Fritz in dem Blog „raumrauschen“ über die Einsamkeit geschrieben, die ihn als Priester manchmal blitzartig überfällt. Ich fand das mutig, und es hat mich auch angesprochen, weil ich das Gefühl kenne. Ich lebe zwar in einer Gemeinschaft und habe damit ein völlig anderes Leben als ein sogenannter „Weltpriester“, aber auch in Gemeinschaft kann man einsam sein.

Als ich den Artikel auf Facebook geteilt hatte, war einer der Kommentare „Wie kann man einem Menschen die menschliche Beziehung verweigern?“ 

Ist unsere Lebensform heutzutage wirklich so exotisch geworden, dass sie einer Erklärung bedarf? Möglicherweise, jedenfalls möchte ich diese Frage nicht so stehen lassen.

„Wie kann man einem Menschen … verweigern?“ Ich weiß nicht, wie es Matthias Fritz geht, aber ich lebe den Zölibat freiwillig. Ich hatte ein normales Leben (was auch immer man darunter versteht) und habe dann ein zölibatäres gewählt. Insofern verweigert mir auch niemand etwas.

„die menschliche Beziehung“: eine interessante Formulierung. Ob der Autor wirklich der Meinung ist, jeder Mensch ginge nur EINE Beziehung zu einem anderen Menschen ein? Ich lebe eine Fülle von Beziehungen, seit ich im Orden bin sogar noch viel mehr als vorher, und ich vermute, dass es den meisten Priestern ähnlich geht. Wie kommt man auf den Gedanken, wer zölibatär lebt, verzichte auf menschliche Beziehung? Oder ist gar nicht „die menschliche Beziehung“ gemeint, sondern die eine ganz besondere Art von Beziehung, nämlich eine intime Liebesbeziehung? Ich glaube, in dieser Unschärfe liegt die Ursache für ein großes Missverständnis unserer Gesellschaft.

 

Ist uns diese eine, intime oder auch romantische Beziehung so wichtig, dass neben ihr alle anderen verblassen? Mal ganz ehrlich: Das ist vielleicht bei Rosamunde Pilcher so, aber doch nicht im wahren Leben! Wie viele Menschen gibt es heute in unserer Gesellschaft, die keinen Partner finden, mit ihrem Partner kreuzunglücklich sind oder ihn nach einigen Jahren wieder verlieren? Wenn wir mal die ideologische Brille abnehmen, dann sehen wir, dass Priester und Ordensleute die Wahl hatten, sich zum Zölibat zu verpflichten oder nicht. Was für eine Wahl haben die zahllosen Menschen in unserem Land, die ungewollt als Single leben? Manchmal ist es nur eine Phase von ein paar Jahren, aber manchmal auch ihr Leben lang. Ganz zu schweigen von denen, die in einer Partnerschaft ohne Liebe gefangen sind. Lebenslange romantische und sexuelle Erfüllung ist etwas aus der Parship-Reklame.

Ja, ich bin manchmal einsam un

d ich vermute, dass das vielen meiner Schwestern und auch vielen Priestern ähnlich geht. Das liegt an unserer Lebensform und ich finde es gut, dass und wie Matthias Fritz das zur Sprache gebracht hat. Aber die Vorstellung, ein Mensch hätte überhaupt erst dann eine nennenswerte Beziehung, wenn er ein zufriedenstellendes Intimleben hat, beleidigt einen nicht unerheblichen Teil unserer Gesellschaft. Und das Schimpfen auf den Zölibat lenkt vom eigentlichen Problem ab: mitten in der Gemeinschaft anderer Menschen kann man einsam sein. Jeder. Der Priester, die Ordensschwester, der Single, die Witwe… Und auch, wenn die Schärfe der Einsamkeit in dem Moment niemand nehmen kann, sollten wir aufeinander achten. Lassen wir einander wenigstens nicht allein!

1 Comment

  1. Schwester Barbara sagt:

    Zu diesem Beitrag gab es Kommentare, die leider beim Umzug unserer homepage verloren gegangen sind.

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