Solange ich lebe
5. September 2015
Verlosung
8. September 2015

Was zeigt man Gästen aus Indien, wenn sie auf ihrer Europareise für die heimische Region vier Tage eingeplant haben?

Im Moment sind eine meiner Tanten, ihr Sohn und seine Frau zu Besuch. Sie ist Deutsche und vor vielen Jahren nach Indien ausgewandert. Mein Cousin und seine Frau sind daher indisch, sie war auch noch nie in Europa. Sie haben sich für ihren Besuch ein ehrgeiziges Programm zusammengestellt, und eine Etappe hatten mein Bruder und ich zu betreuen: Bergisches Land und Rheinland. Dabei war ein Programmpunkt klar gesetzt: Am Sonntag sollte es zum Kölner Dom gehen.

Also: was zeigt man indischen Gästen, die den Kölner Dom sehen wollen? Ehrlich gesagt: ich habe gar nicht erst angefangen, die Reiseführer zu wälzen. Natürlich könnte man über diesen Bau unendlich viel erzählen. Er enthält so viele Bilder, Statuen und Altäre, so viele wichtige Gräber, Fenster und Mosaiken, dass man wohl eine Weile damit rumkriegte.

Aber unsere Gäste waren evangelisch, muslimisch und hindu, so richtig schön gemischt. Und keiner der drei hat einen besonderen Zugang zu katholischen Kirchenbauten. Es war klar, dass wir anders führen mussten, also habe ich versucht, unseren Dom mal mit anderen Augen zu sehen. Was interessiert jemanden, der vom katholischen Glauben nichts weiß, an so einem Bau?

Als erstes – klar – die Architektur und die Baugeschichte. Also sind wir auf den Turm gestiegen, ein ganzheitliches Erlebnis obendrein und haben die Aussicht bewundert. Wir haben von außen schon gesehen, wie Stück für Stück die Fassade renoviert wird: überall mittendrin gibt es einzelne hellere Steine und Figuren, wo etwas erneuert wurde. Vor allem das mittlere Portal ist ja sehr prächtig geworden. Später sind wir in die Ausgrabungen unter dem Dom und haben uns in einer Führung die Entstehungsgeschichte und die Fundamente erklären lassen (inklusive der Fußbodenheizung eines römischen Privathauses, die man auch gefunden hat).

Dazwischen waren wir dann im eigentlichen Innenraum. Und da fing es dann an, knifflig zu werden. Wer die vielen, vielen Darstellungen auf den Bildern nicht versteht, wer die ganzen Heiligenstatuen nicht erkennt, was empfindet der, wenn er durch diesen Raum geht? Ich nehme so etwas wie das Mittelportal oder die großen Fenster ja zunächst mal als Ratespiel: was ist dargestellt? Welche Szene aus der Bibel oder welchen Heiligen erkenne ich? Mein Bruder und ich haben das auch gemacht, und wenn man Gäste dabei hat, die ein gewisses biblisches Grundwissen haben, dann kann man die auch mit einbeziehen. Aber bei einer solchen Fülle von Darstellungen und Gästen, für die das alles völlig fremd ist, war natürlich schnell Schluss.

Also haben wir uns auf anderes konzentriert: das Richterfenster war ein interessanter Kontrast, und der Dreikönigsschrein durfte natürlich nicht fehlen. Den kann ich auch nichtchristlichen Touristen gut zeigen, denn mir persönlich ist gar nicht so wichtig, welche Reliquien er birgt. Er hat über Jahrhunderte hinweg unzählige Menschen von allen Enden der Erde näher zu Gott gebracht. Ihre Gebete haben ihn geheiligt.

Abends hatten wir dann doch noch einen ganz frommen Abschluss: die Chorvesper. So richtig mit Gesang und Orgel und Salve-Regina-Prozession, sozusagen die volle katholische Dröhnung. Unsere Gäste haben alles brav mitgemacht – und sind mit einem Abendessen im Früh belohnt worden.

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