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Frag doch mal die Schwester, Teil 16

Diesmal gibt es eine „ganz frevelhafte Frage“, wie die Fragestellerin warnend meint. Ich finde das nicht, verstehe aber, weshalb sie die Frage als heikel einschätzt. Ich hatte zum wiederholten Male zum Gebet für die verfolgten Christen aufgerufen. Und nun schreibt sie mir:

„Was „bringt“ es für andere zu beten? Ich kann nachvollziehen, dass Beten in einem selbst etwas verändert, ja, aber wie kann es äußere Umstände ändern? Wir gehen ja davon aus, dass es einen liebenden Gott gibt, der allmächtig ist, aber wieso sollte dieser „nur“ auf unser Gebet hin handeln? Er sieht die Nöte der Verfolgten, Unterdrückten etc. ja viel besser als ich, wieso handelt er nicht sowieso, bzw. wie soll mein Gebet etwas an seinem Handeln ändern?“

Zunächst mal: Danke für diese Frage. Ich halte sie für sehr wichtig, sie bewegt mich persönlich auch schon lange.

Dann: ich spare mir diesmal bewusst jegliche theologische Recherche. Wer diese Frage wissenschaftlich-theoretisch angehen möchte, muss sich ein anderes Forum suchen. Hier geht es um die tägliche Praxis der Beter. Die steht natürlich auf einem theologischen Fundament, aber das interessiert in dieser Angelegenheit nicht besonders.

Also: Was bringt es, für andere zu beten? Ich fange von hinten an.

  • Gott sieht die Nöte der Verfolgten viel besser als ich. Wieso handelt er nicht sowieso?
    Wieso Gott das Leid geschehen lässt, ist eine der uralten Menschheitsfragen, die sogenannte Theodizeefrage, für die ich bisher keine befriedigende Antwort gehört habe. Wir wissen es einfach nicht.
  • Wie soll mein Gebet etwas an Gottes Handeln ändern?
    Klar ist, dass der Gott, den uns Jesus von Nazareth verkündet hat, barmherzig und liebevoll ist und unser Leid nicht will. Wir dürfen also immer und immer wieder neu mit unseren Sorgen und Nöten zu ihm kommen und klagen. Das hat Jesus uns auch gelehrt, z.B. im „Vaterunser“ die Bitte um das tägliche Brot. Jesus hat uns zugesagt, dass Gott alle unsere Bitten erfüllen wird, wenn wir denn wirklich in Seinem Sinne bitten. Mir scheint, dass wir häufig daneben liegen und nur unsere Wünsche im Sinn haben, aber den Willen Gottes einfach nicht begreifen können.
  • Wieso sollte Gott nur auf mein Gebet hin handeln?
    Schwierig. Eines muss uns klar sein: wir können Gott nicht unseren Willen aufzwingen. Kein Gebet und kein Opferritual kann in diesem magischen Sinne Gottes Handeln ändern. Das hat man früher geglaubt, aber Judentum und Christentum haben sich schon lange von diesen Vorstellungen gelöst. Ein Gott, der sich vom Menschen bezwingen ließe, wäre es nicht wert, verehrt zu werden.
  • Ich kann nachvollziehen, dass Beten in einem selbst etwas verändert, aber wie kann es äußere Umstände ändern?
    Das ist dann wohl die einzige Lösing, die uns bleibt – und ich glaube auch die beste: wenn ich für andere bete, verändert das in erster Linie mich selber. Ich denke an die verfolgten Christen, an die Flüchtlinge, den bedrohten Frieden in der Welt, meine kranke Nachbarin, meinen einsamen Vater. In den Fürbitten erinnern wir uns an all das – und wenn wir dabei ehrlich sind, können wir nicht bei den Worten bleiben. Ich kann nicht guten Gewissens für die Flüchtlinge beten und anschließend bei Tisch plötzlich rassistische Sprüche klopfen. Wenn ich die Flüchtlinge vor Gott getragen habe, habe ich sie als seine geliebten Kinder wahrgenommen, dann werde ich auch überlegen, wie ich ihnen praktisch helfen kann.
    Wenn ich für die verfolgten Christen bete, dann interessiere ich mich auch für das Thema. Wenn ich mich interessiere, habe ich das Thema präsent – und plötzlich fällt mir im richtigen Moment ein, dass wir die Einnahmen vom Pfarrfest doch für die Christen im Irak geben könnten, ich hab da was über ein Projekt der Dominikanerinnen gelesen… SO verändern sich auch äußere Umstände.

Ist das jetzt zu profan? Ich denke nicht. Ich habe wirklich viel darüber nachgedacht, aber ich meine, dass Gott genau so wirkt: er hat uns sein Wort gegeben und seinen Sohn geschickt, damit wir es auch wirklich kapieren. Wir können jederzeit mit ihm reden, und in diesem Reden erfahren wir, wie wir seinen Willen praktisch umsetzen können.

Eine Mitschwester von mir formuliert es so: Beten ist gefährlich, denn es beinhaltet immer die Bereitschaft, sich von Gott in Dienst nehmen zu lassen.

1 Comment

  1. Monika Himsl sagt:

    „Beten ist gefährlich.“, das gefällt mir. Wie auch: „Die Bibel ist ein gefährliches Buch“, wie jemand neulich sagte. Man kann nicht für etwas oder jemanden bewusst beten ohne dass man sich und sein Verhalten verändert. Ich bete seit längerer Zeit für jemanden im Besonderen. Ich weiß jetzt nicht ob diese Person das spürt. Oder ob sich für diese Person dadurch etwas ändert. Aber in mir hat das etwas geändert. Ich denke auch an Tagen, wo die Gedanken sich hauptsächlich um meine Probleme und Sorgen drehen, zumindest dieses eine Mal an jemand anders. An anderen Tagen will ich dann für jemand anderen oder andere beten, und vergess dann aber doch nie, auch für diese Person zu beten. Beim Vaterunser ist dann auch das allerschönste, dass mir irgendwann mal auffiel, dass es da immer um das WIR und das UNS geht, um das ich bete. Es ist also auch immer ein Gebet für mich selber auch. Und bete ich es für mich selbst und meine Sorgen, so bin ich automatisch auch im Wir mit anderen verbunden, ja mit der ganzen Erde und somit mit allen Menschen: Dein Reich komme, dein Wille geschehe wie im Himmel so auch auf Erden… Und „dein Wille geschehe“, das zwingt einen dann vor allem bei Gebenten in eigener Sache, zu hinterfragen, was denn eigentlich der „göttliche“ Wille sein könnten. Vielleicht ist er ja wirklich anders, als meiner. Das heißt: ehrlich gebetet eröffnet das auch die Denkmöglichkeit, dass die eigene Vorstellung gar nicht so gut sein könnte, wie’s mir jetzt im Moment erschein, und es deshalb dann eben auch anders kommt, als gedacht…

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