Ist es wirklich schon 25 Jahre her?
Ich meine: für alle, die noch kein Vierteljahrhundert voll haben, ist es schon Geschichte, aber wir waren dabei. Wie die Mauer fiel, habe ich zwar nur am Fernsehen mitbekommen. Aber als ein Jahr später die Wiedervereinigung gefeiert wurde, am 3.10.1990, da war ich in Berlin. Ehrensache!
Heute kann man sich nicht mehr recht vorstellen, was das für ein Gefühl war: wir konnten endlich durchs Brandenburger Tor gehen! Und das haben wir dann auch getan, die Europafahne über der Schulter. Wir waren Teil einer unglaublichen Menschenmenge, viele Deutschlandfahnen, aber etliche trugen auch wie wir die blaue mit den goldenen Sternen. Es war der richtige Moment zum Fahneschwenken, aber schwarz-rot-gold? Ich weiß noch, dass uns der Gedanke sehr fremd war. Eigentlich waren wir ja schon mächtig stolz und glücklich – aber durften wir das auch zeigen? Es dauerte 16 Jahre, bis wir beim „Sommermärchen“ der Fußball-WM im eigenen Land endlich unsere Berührungsängste verloren.
Sehr spannend war aber auch die Zeit zwischen Mauerfall und Wiedervereinigung, immerhin fast ein ganzes Jahr. Diese Zeit, in der vieles noch nicht so klar war. Ich war in dieser Zeit z.B. zum evangelischen Kirchentag in Berlin und wollte mit einer Freundin in den Ostteil der Stadt. Wir hatten uns in den Kopf gesetzt, über den berühmten „Checkpoint Charlie“ zu gehen. Als wir hinkommen, steht da ein Grenzsoldat und sagt freundlich: „Es tut mir leid, aber ich darf sie nicht rüber lassen.“ Ich: „Wieso? Die Mauer ist auf. Ein paar hundert Meter weiter gibt es sie sogar schon gar nicht mehr, geschweige denn Kontrollen!“ Er nickt etwas verlegen: „Ja, ich weiß. Aber hier, an diesem Grenzübergang darf ich nur Ausländer und Diplomaten rüberlassen.“
Es war auch die Zeit der Mauerspechte. Mein Bruder war einer davon: mit einem Kumpel ist er an die Mauer und hat Steine herausgeschlagen. Brocken aus Stahlbeton, am liebsten noch mit Graffiti. Ich habe einen davon bekommen und ihn all die Jahre in Ehren gehalten, auch noch im Kloster. Er erinnert mich daran, wie wenig selbstverständlich die Einheit ist, wie verletzlich das Recht und wie kostbar Freiheit.