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Neulich kam es auf facebook zu einem interessanten kleinen Wortwechsel. Es ging darum, ob wir einen Unterschied zwischen den christlichen und den muslimischen Flüchtlingen machen. Ich sage: natürlich ist da ein Unterschied. Die einen sind Christen und die anderen sind Muslime. Das ist ein gewaltiger Unterschied, tun wir doch bitte nicht so, als wäre da nichts. Aber prompt wurde das als Wertung missverstanden. „Wieso sind uns die christlichen Flüchtlinge eher willkommen?“ Hatte ich gar nicht geschrieben. Wir haben z.Zt. eine christliche und eine muslimische Familie aufgenommen, beide aus Syrien, alles sehr freundliche Leute, das habe ich schon mehrfach geschrieben und werde es weiter tun.

Ganz ohne Zweifel geht es aber vielen anderen Menschen in Deutschland so: die Christen scheinen ihnen doch irgendwie die lieberen Flüchtlinge. Warum?

Eine Frau in der Runde gebrauchte das Wort: „Es sind unsere Geschwister.“ Das finde ich zwar auch, es reizt mich aber auch zum Widerspruch. Die Muslime sind auch meine Geschwister. Nicht im Glauben, aber sozusagen in der Menschheitsfamilie. Wenn Jesus sagt: „Ihr alle seid Kinder eines Vaters“ dann meint er damit ja nicht nur seine Jünger. Der Vater ist der Schöpfer. Alle Menschen sind seine Kinder – und damit einander Geschwister.

Deshalb kommt es ja auch zu dieser spannenden Geschichte vom barmherzigen Samariter. Jesus unterhält sich mit einem jüdischen Gesetzeslehrer über die Nächstenliebe. Sie sind sich einig, wie wichtig die ist. Aber dann ist die Frage: Wer ist denn eigentlich mein Nächster? Und Jesus erzählt von dem ausgeraubten Mann zwischen Jericho und Jerusalem. Zwei fromme jüdische Würdenträger kommen nacheinander, sehen ihn verletzt am Straßenrand liegen und gehen tatenlos weiter. Dann kommt ein Samariter, also kein Jude, sondern ein Ausländer – der hilft.
Und die Moral von der Geschicht‘? Wer war dem Verletzten der Nächste? Der, der barmherzig handelt, der ist der Nächste.

Wenn ich diese Erzählung Jesu ernst nehme, dann darf mir die Religion meines Mitmenschen nicht so wichtig sein. Die Flüchtlinge sind unsere Nächsten. Wenn sie meine Hilfe brauchen, hab ich gefälligst da zu sein – trotz meiner Berührungsängste.

Bild: Günther Havlena@pixelio.de

2 Comments

  1. Monika Himsl sagt:

    Ja, so sehe ich das auch. Nun, das Beispiel des barmherzigen Samariters wird uns in nächster Zeit wohl noch oft begegnen, vor allem weil wir schon forsch auf das „Heilige Jahr der Barmherzigkeit“ zusteuern. Da ist es ja fast schon schön, dass wie so viel Gelegenheit bekommen, unsere Barmherzigkeit zu zeigen…

  2. (NHC III,5) Der Herr sagte: „Ihr habt alle Dinge verstanden, die ich euch gesagt habe, und ihr habt sie im Glauben angenommen. Wenn ihr sie erkannt habt, dann sind sie die Eurigen. Wenn nicht, dann sind sie nicht die Eurigen.“

    Wir sollen Jesus also nicht anbeten, sondern ihn – bzw. seine Erkenntnis – verstehen: Wahre Nächstenliebe ist nicht irgendeine „Moral“, sondern die praktische Verwirklichung des Prinzips Eigennutz = Gemeinnutz! Und „der Herr“ war Jesus für die wahren Urchristen (Gnostiker = Wissende) nicht, weil er etwa aufgrund einer „höheren göttlichen Moral“ Macht über sie hatte (die Macht hatten Geisteszwerge, die sich „Römische Kaiser“ nannten), sondern weil er über ein einzigartiges Wissen verfügte, das einige Wenige in Ansätzen, aber noch niemand ganz verstehen konnte:

    http://opium-des-volkes.blogspot.de/2014/10/eigennutz-und-gemeinnutz.html

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