Vor einigen Jahren (es muss wohl kurz nach meinem Noviziat gewesen sein) war ich für drei Wochen zu einem Kurs an der Uni im niederländischen Utrecht. Quartier hatte ich bei einer Familie, sehr nette Leute, die mich herzlich aufnahmen. Und obwohl die Niederlande nicht gerade Zentralafrika sind, bekam ich eine Art kleinen Kulturschock.
Die Familie war fromm, sehr fromm sogar. Deshalb hatte ich mich gebetsmäßig nur minimal ausgestattet. Ich hatte ein kleines Reisebrevier mit (also das Gebetbuch der Ordensleute) und einen Rosenkranz. Das reicht ja eigentlich auch. Dennoch war ich zu Beginn irritiert: in meinem Zimmer hing kein Kreuz. Das kenne ich schon lange nicht mehr, zuletzt hatte ich das wohl in meiner Kindheit. Zur Erstkommunion habe ich eines aus Bronze bekommen, da war ich acht, seitdem habe ich immer wenigstens ein kleines Kreuz im Schlafzimmer gehabt. Bei uns im Kloster hängt sowieso in jedem noch so kleinen Raum eines. Als ich mich jetzt im Haus meiner Gastfamilie umsah, merkte ich, dass nirgendwo ein Kreuz an der Wand hing.
Nun ja, kein Drama. Wenn diese Familie darauf keinen Wert legte oder es aus irgendeinem Grund ablehnte, dann war das eben so. Und schließlich ist das Kreuz ja nur ein Zeichen, das Wesentliche des Gebetes spielt sich ja im Inneren ab, oder nicht? – Dachte ich.
Ich habe mich daran erinnert, was wir im Noviziat gelernt hatten: Dominikaner sollen in der einen Hand die Bibel und in der anderen Hand die Zeitung halten – speziell beim Predigen, aber auch als allgemeine Lebenshaltung. Beides hatte ich doch, wozu noch ein Zeichen aus Holz oder Bronze?
Aber ich fühlte mich merkwürdig haltlos, ich merkte, dass mir der Fokus fehlte. Ich brauchte rein physisch einen Fixpunkt, etwas, worauf ich mich beim Beten ausrichten konnte.
Ein Kreuz für die Wand konnte ich mir auf die Schnelle nicht besorgen, ich hatte aber inzwischen auch verstanden, dass es darum gar nicht ging. Also kaufte ich mir einfach eine schöne Kerze und improvisierte eine Mini-Gebetsecke. Das lebendige Licht reichte völlig aus, um meine Gedanken zu sammeln, wenn sie einmal vom Brevier oder vom inneren Gebet abschweiften und mein Blick anfing, umherzuwandern.
Seitdem sind Kerzen für mich etwas sehr Kostbares, ein Ausdruck des göttlichen Lichtes. Die äußeren Umstände können noch so widrig sein – ein kleines Licht kann man immer anzünden. Nie wird das so deutlich wie jetzt im Advent: wir zünden eine Kerze nach der anderen an. Doch wir bleiben ruhelos und suchen den richtigen Halt, den Fixpunkt – bis an Weihnachten endlich das Licht selber kommt und die Dunkelheit der Welt erhellt.
2 Comments
Advent ist für mich auch ein anderes Wort für Sehnsucht Und das Licht der Kerzen sind ein Zeichen dafür. Ich freue mich immer über das Meer von Kerzen das vor Gnadenbildern der Gottesmutter angezündet werden. Die drücken eine Sehsucht aus, die offenbar nie erlischt, verborgen sonst (fast)
überall im Alltag!
Ja, es ist seltsam, aber wir brauchen wohl immer eine Form. Sehnsucht in Wachs gegossen wird zu Licht und Wärme…