Maranatha – komm, Herr Jesus!
So beteten die ersten Christen, die noch in der Naherwartung lebten. Sie glaubten, Jesus werde wiederkommen, um die Welt zu vollenden, noch bevor die Jünger, die ihn erlebt hatten, sterben mussten. Das hatte er versprochen – oder jedenfalls hatten sie ihn so verstanden.
Auch heute beten wir – vor allem im Advent – „Maranatha – komm, Herr Jesus!“
Allerdings bin ich mir ehrlich gesagt gar nicht so sicher, ob ich das wirklich will.
Wenn ich mir die Welt ansehe, all das Leid, Hunger, Kriege, Morde, Vergewaltigungen, all die Menschen, die in ihrer Not fast verzweifeln – ja, dann wünsche ich mir, dass das alles bald ein Ende haben möge. Ja, komm, Jesus! Komm mit Deiner heilvollen Macht – die Mächtigen der Erde erzeugen so viel Unheil! Komm und schaffe Gerechtigkeit – wir schaffen es nicht. Komm und zeige Dich als Friedensfürst – unsere Fürsten wollen keinen Frieden!
Ja, wenn ich so denke, dann müsste besser heute als morgen die Welt ein Ende nehmen und das Reich des Friedens beginnen.
Aber wenn ich an mich selber denke, dann will ich eigentlich nicht, dass schon Schluss ist. Ich freue mich auf den nächsten Tag. Nicht immer. Aber meistens. Mir geht es doch gut. Ich habe, was ich brauche – und so viel mehr. Ein sicheres Zuhause, genug zu essen, Kleidung für jede Witterung, Zugang zu Information über die Welt, eine sinnvolle Aufgabe, freundliche und weniger freundliche Mitmenschen, aber jedenfalls niemanden, der mich bedroht… Und ich darf die Hoffnung haben, dass es morgen wieder ähnlich gut sein wird. Ich weiß, dass all das nicht selbstverständlich ist.
Also: wieso sollte ich mir wünschen, dass Jesus wiederkommt und all das beendet?
Naja, zugegeben: auch in meinem Leben wäre einiges verbesserungsfähig. Vielleicht müsste nicht direkt die Apokalypse alles beenden, aber wenn das Reich Gottes anfinge mit seinem Frieden und seiner Gerechtigkeit – das wäre schon toll. Wobei… Hat Jesus nicht gesagt: „Es hat schon begonnen! Merkt ihr es nicht?“ Womöglich müssen wir gar nicht auf den großen Blitz warten wie in den Katastrophenfilmen. Womöglich wächst das Reich Gottes leise, und wir sind schon mittendrin. Dann, ja dann bräuchten wir doch dringend Seine Unterstützung, um es voranzutreiben und selber Gerechtigkeit zu schaffen.
Maranatha – komm, Herr Jesus mit Deinem Frieden und erfülle die Herzen aller Menschen guten Willens!