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6. Januar 2016

Frag doch mal die Schwester, Teil 19:

Muss ein Christ eigentlich unbedingt an Gott glauben?

„Ich glaube zwar nicht an Gott, bin aber ein besserer Christ als mancher in dieser Diskussion.“

Diese interessante Aussage in einer facebook-Diskussion hat mich zu der Frage angeregt, ob man an Gott glauben muss, um sich Christ nennen zu können. Oder gar ein „guter“ Christ. Natürlich könnte man jetzt sagen: hatten wir noch nie, alles Quatsch! – Das ist mir aber zu dünn, ich will es genauer wissen.

Ein Christ ist gemeinhin ein Anhänger Jesu Christi. Die christlichen Kirchen lehren, dass Jesus Christus nicht nur der historisch nachweisbare Zimmermann aus Nazareth war, sondern auch der Sohn Gottes. Diese Göttlichkeit Jesu ist immer wieder bestritten worden (Arianismus), und deshalb möchte ich sie hier auch gerne ausklammern. Unabhängig davon, ob Jesus nun selber Gott war oder nicht, soll es hier um die noch fundamentalere Frage gehen:

Kann man Jesus folgen, ohne überhaupt an Gott zu glauben?

Ich denke schon.

Man kann auch Zen-Meditation üben, weil man darin Ruhe, Tiefe und Weite findet – ohne gleich die ganze buddhistische Philosophie anzunehmen oder auch nur zu kennen. In diesem Sinne kann man auch Jesus folgen, ohne an Gott zu glauben.

Wie das aussieht? Vielleicht so: Man kann seinen Nächsten lieben und versuchen, auch seine Feinde zu lieben. Man kann sich für die Schwachen einsetzen und ein großes Herz entwickeln für alle, die schuldig geworden sind und ihr Leben gerne wieder auf die Reihe kriegen möchten. All das hat Jesus getan und dazu hat er seine Jünger aufgefordert.

Wäre man deshalb Christ?

Eher nicht.

Denn zwischen dem Jesus-Anhänger und dem Christus-Anhänger gibt es einen wichtigen Unterschied: „Christus“ bedeutet „der Gesalbte“, es ist also der von Dom 2Gott Gesandte. Es ist nicht eindeutig, ob Jesus von Nazareth diesen Titel selber für sich beansprucht hat, aber wenn wir uns Christen nennen, dann sagen wir damit: ja, er wurde von Gott geschickt, um uns zu retten. Und eindeutig belegt ist, dass Jesus immer wieder vom Reich Gottes gesprochen hat. Also selbst wenn man ihn nicht für den Christus hält, sondern nur für einen guten Menschen, dann macht das, was er gesagt hat, ohne Gott nicht so richtig viel Sinn, denn seine ganze Motivation war, den Willen Gottes zu tun. Er wollte das Reich Gottes bauen, der unsere Erde erneuern und von allem Elend und Unfrieden erlösen will.

Wenn ich mich in der Nachfolge Jesu sehe, aber nicht an Gott glaube – dann bin ich wie ein Steinmetz, der einen Stein behaut, um einen Turm fertig zu kriegen. Und der dabei keine Ahnung hat, dass dieser Turm ein kleiner Erker an einer riesigen Kathedrale ist. Er kann seine Arbeit richtig gut machen und damit auch viel erreichen – er wird nur nicht den Sinn dahinter erkennen.

3 Comments

  1. Anna sagt:

    Liebe Schwester, mein Mann, ein sehr engagierter Christ, ist mir gegenüber verbal gewalttätig und hat mich oft geschlagen. Zu anderen Gemeindemitgliedern sehr nett, fällt bei ihm eine Jalousie, sobald er mit mir und den Kindern alleine ist. Meine Mutter, eine engagierte Christin hat uns Kinder geschlagen und ein Mal in ihrer Wut meinen Vater mit heissem Wasser überschüttet. Die engagierteste Frau aus unserer Gemeinde läuft meinem Mann offen hinterher. Meine Schwiegermutter ist engagierte Kirchgängerin, hetzt aber im Hintergrund meinen Mann gegen mich auf. Und alle dieser 4 Genannten hassen meinen Vater, weil er in der damaligen DDR ein SED-Parteigenosse war. Ein herzensguter Mann, der uns allen treu ergeben ist, hilft, lächelt, und nun Krebs hat und trotzdem noch als „Rote Socke“ beschimpft wird. Ich weine, während ich das hier schreibe. Das tut alles sehr weh und ist für mich so verwirrend. Christen können das Wort Gottes vielleicht verstanden haben und trotzdem grausamer sein als Nichtchristen?

    • Liebe Anna,
      ich weiß gar nicht so richtig, was ich antworten soll. Nein, ich glaube, wer das Wort Gottes wirklich verstanden hat, der übergießt niemanden mit heißem Wasser. Zwar heißt es in einem Paulusbrief leider „wer seinen Sohn liebt, der züchtigt ihn“, das kommt halt aus einer anderen Zeit, aber Jesus selber hat so etwas nie gesagt. Jesus sagt: „Selig sind die, die keine Gewalt anwenden… Selig sind die Barmherzigen… Selig sind die, die ein reines Herz haben… Selig sind die, die Frieden stiften…“! Das ist aus der Bergpredigt, ein zentraler Text des Evangeliums, viel wichtiger als die Paulusbriefe, überliefert von Matthäus (Kapitel 5) und etwas kürzer auch von Lukas. Wer diesen Text ignoriert oder nicht versteht, hat etwas Wesentliches vom Christentum nicht verstanden. Übrigens geht er noch weiter: „Wer eine Frau auch nur lüstern ansieht, hat im Herzen schon mit ihr Ehebruch begangen.“ (Matthäus, Kapitel 5, 28) Dann folgen ziemlich drastische Drohworte.
      Was bedeutet also „Er/sie ist engagierte/r Christ/in“ – wenn diese Person gleichzeitig völlig gegen den Willen Christi handelt?

  2. Christian sagt:

    liebe Anna. ich als Mann kenne Ihre Probleme zwar nicht so aus eigenem erleben. Ich habe aber auch schon viel erlitten. Gerade weil ich Christ war. Ich denke Gott fühlt uns oft ganz schön auf den Zahn, Wenn wir uns auch Christen nennen, kommen trotzdem viele Probleme auf uns zu.

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