Ich brauche… ein Schloss an der Tür
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Ich brauche… Grenzen
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Eines der fundamentalen Bedürfnisse des Menschen (wir sind immer noch erst auf der zweiten Stufe der Maslowschen Pyramide!) ist Ordnung. Jetzt wird der eine oder andere an das Chaos auf seinem Schreibtisch, unter seinem Bett oder in seinem Auto denken und sagen: „Nö, kann ich nicht bestätigen.“

Aber es ist so: ein gewisses Maß an Ordnung brauchen wir, sonst fühlen wir uns nicht wohl. Selbst Anarchisten wollen kein Chaos, sondern eine Gesellschaftsordnung – nur eben in Freiheit, ohne Staat, ohne Obrigkeit, ohne Repressalien und Machtausübung. Ordnung gibt Sicherheit, Chaos verunsichert und macht Angst. Ein Blick in die Bürgerkriegsszenen, die uns momentan täglich ins Wohnzimmer flimmern, genügt zur Verdeutlichung.

Wie viel Ordnung jemand in seiner Welt braucht, ist dann aber sehr unterschiedlich. Nur bei den Kindern kann man noch die Gemeinsamkeit sehen: Kinder lieben Rituale. Sie wollen die Geschichte immer und immer wieder genau gleich erzählt bekommen und schlafen am besten ein, wenn sie Lied, Kreuzchen, Küsschen, Kuscheldecke, Teddy oder was auch immer, genau so wie an jedem Abend bekommen. Später werden wir flexibler, aber Rituale bleiben faszinierend. Nicht nur in den verschiedenen Religionen der Welt leben vielfältige Rituale, auch im säkularen Bereich werden sie immer dann benutzt, wenn man eine Sache visualisieren will, die man mit Worten nur unzureichend ausdrücken kann. Deshalb werden so viele Kränze an Gedenksteine gelegt und Sieger in wechselnden Farben auf Treppchen gestellt.

Aber die Religionen sind schon besonders stark in allem, was mit Ritualen zu tun hat, denn ihnen geht es um eine Ordnung, die man nicht mathematisch berechnen kann, sondern symbolisch darstellen muss. Wasser bei der Taufe, Ringe bei der Hochzeit, flach auf den Boden legen („Venia“) bei der Ewigen Ordensprofess: alles Zeichen oder Symbole als Hinweis auf eine andere Wirklichkeit, die unsere diesseitige Welt übersteigt.

Eines dieser Symbole ist die Zahl 12, die Zahl der Fülle und Vollkommenheit. Heute ist der Festtag des Apostels Matthias, der sozusagen der 13. Apostel war. Von den ursprünglich 12 Aposteln Jesu war ja einer, Judas Iskariot, zum Verräter geworden und hatte sich danach das Leben genommen. Nun war sein Platz frei – und 11 Apostel, das ging nicht, die heilige Ordnung war gestört! Deshalb suchten die Elf jemanden, der von Anfang an mit ihnen zusammen war, Zeuge des Lebens, Sterbens und der Auferstehung Jesu. Sie fanden zwei, losten und das Los fiel auf Matthias. Das alles ist uns im ersten Kapitel der Apostelgeschichte überliefert.

Mich erinnert dieser Bericht daran, dass es Sinn macht, mich um Ordnung zu bemühen. Es ist nicht einfach alles egal. Oft fällt mir das schwer, aber die äußere Ordnung gibt mir auch inneren Halt. Wir Menschen sind eben eine Einheit von Körper, Geist und Seele – ist eine dieser Dimensionen in Unordnung, bleiben die anderen nicht unberührt. Sortiere ich mich in einem Bereich, werde ich auch in den anderen sicherer und ruhiger werden.

9 Comments

  1. Ja, Ordnung ist ein sehr wichtiges Prinzip in meinem Leben, in meinen Beziehungen, auch meiner Gottesbeziehung, aber auch im Leben jeder Gemeinschaft, sei es der Staat, der Betrieb, der Verein oder auch die Familie und die Kirche. „Jedes Ding an seinen Ort erspart viel Müh und böse Wort“ pflegten meine Eltern immer wieder zu sagen.

  2. „Jedes Ding an seinen Ort erspart viel Müh und böse Wort“ – sehr schön. Da bin ich eine ständig Lernende. Aber gerade da muss ich mich an einen Freund erinnern: er war Beamter und hatte sich zuhause einen eigenen Schreibtisch mit allem drum und dran eingerichtet. Alles aufgeräumt, alles im rechten Winkel ausgerichtet, und ziemlich leer… Es gibt da eine Grenze von „gerade noch ordentlich“-chaotisch und neurotisch-ordentlich. Wenn ich mir nun so die Kirche, und im Speziellen die Messe-Liturgie etwa bei Hochämtern ansehe: da ist für mich ZUVIEL ordentliches Ritual und zuwenig Lebendigkeit. Da geht die Sicherheit und Ruhe fast schon in Zwanghaftigkeit und Erstarrung über…

    • „Clean desk“ – würde ich mir im Büro mal wieder wünschen! Das ist super, auch wenn man nicht zwanghaft ist.
      In der Kirche können minimalistische Gottesdienste (gut aufgeräumt) auch sehr schön sein! Keine Schnörkel, mal die ganze schlichte Strenge der Liturgie, viel Stille – das hat was! Aber nicht für jeden und nicht alle Tage. Wenn man mit Kindern und/oder Jugendlichen feiert, muss Leben in die Bude. An Festtagen will der Chor singen, usw… Ich finde, Gottesdienste sollten so vielfältig sein, wie wir Menschen.

  3. @ mohipressedienst
    Meines Erachtens sollten wir in der Kirche nicht von Ritualen sprechen. Die Gefahr der Verwechslung mit den Ritualen der Psychiater und anderer Verkäufer psychologischer Wellness ist zu gross. Was die Kirche feiert ist Liturgie, Sakrament oder Sakramentalien. Und da geht es nicht um Lebendigkeit, sondern um jenes Leben, dass Gott uns schenkt.

    • Zum Begriff des Rituals zitiere ich der Einfachheit halber mal die Definition aus Wikipedia: „Ein Ritual (von lateinisch ritualis ‚den Ritus betreffend‘, rituell) ist eine nach vorgegebenen Regeln ablaufende, meist formelle und oft feierlich-festliche Handlung mit hohem Symbolgehalt. Sie wird häufig von bestimmten Wortformeln und festgelegten Gesten begleitet und kann religiöser oder weltlicher Art sein (z. B. Gottesdienst, Begrüßung, Hochzeit, Begräbnis, Aufnahmefeier usw.). Ein festgelegtes Zeremoniell (Ordnung) von Ritualen oder rituellen Handlungen bezeichnet man als Ritus.“
      Die Liturgie ist der öffentliche Gottesdienst, der meist nach bestimmten Ritualen abläuft – meist, aber nicht immer! Sakramente sind heilswirksame Zeichen. Sie werden meist in ritualisierter Form gespendet, aber das Ritual selber ist nicht das Sakrament! Das wäre ein magisches Liturgieverständnis. Vorsicht!

  4. Mir scheint, hinter unseren Differenzen stecke die Frage, was eigentlich ein Gottesdienst sei. Ist es ein Angebot unter vielen, bei dem der Mensch seine religiösen, spirituellen und vielleicht auch kulturellen und andere Bedürfnisse stillen kann, oder ist es eine Feier zur Ehre Gottes, des Herrn, die uns dann auch das nötige Wissen, die Kraft und den Mut schenkt, in eine ganz persönliche Beziehung zu diesem Gott zu treten und diese bis hinein in unseren ganz gewöhnlichen Alltag mit Freud und Leid, mit Erfolg und Versagen zu pflegen.

    • Das sind ohne Zweifel spannende Fragen, aber beim Begriff Ritual geht es zunächst mal um die richtige Definition. Wenn wir die Begriffe nicht sauber unterscheiden, können wir nicht klar argumentieren, dann geht alles durcheinander.
      Zur Frage, was ein Gottesdienst sei, so möchte ich zurückfragen: wieso muss er denn entweder unser Bedürfnis stillen oder Gott ehren? Mir ist schon klar, dass es gewaltige Unterschiede gibt, die v.a. daher rühren, dass die Betonung entweder auf dem einen oder auf dem anderen liegen, aber idealerweise sollten wir einen Gottesdienst doch aus einem inneren Bedürfnis herausfeiern und genau damit Gott die Ehre geben – oder irre ich mich?

  5. Meine Frage ist, was ist zuerst, das Bedürfnis oder der Glaube. Nach meinen persönlichen Erfahrungen sind meine Bedürfnisse – auch meine religiösen und spirituellen – doch meist ichbezogen, während – wenigstens bei mir – erst ein bewusster und konkreter Glaube das Bedürfnis weckte, Gott die Ehre zu geben, ihn anzubeten, zu versuchen, ihn zum Zentrum und letzten Ziel meines Lebens zu machen. Erst dann wurden meine Gottesdienstbesuche nicht mehr einfach eine Frage meiner aktuellen Stimmung und/oder Interessen, sondern eine Liebespflicht Gott gegenüber, auch wenn es noch ein weiter Weg sein wird, bis das in Fleisch und Blut übergegangen sein wird.

  6. […] Frage ist mir schon vor einiger Zeit gestellt worden. Damals hatte ich über die Ordnung geschrieben, ein Grundbedürfnis des Menschen. Dazu gab es einige Kommentare, wie viel Ordnung und […]

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