In diesen Tagen zwischen Ostern und Pfingsten lesen wir täglich die Apostelgeschichte. Am letzten Freitag ging es z.B. um die Bekehrung des Saulus: er verfolgte die junge Gemeinde „mit Drohungen und Mord“. Dann ist er unterwegs nach Damaskus, um die dortigen „Anhänger des neuen Weges“ gefangen zu nehmen. Da trifft ihn unterwegs sozusagen ein Blitz. Er stürzt vom Pferd, hört die Stimme Jesu „Saul, Saul, warum verfolgst du mich?“ und kann tagelang, vom Licht geblendet, nichts mehr sehen. Von da ab ist er Paulus und wird zum Völkerapostel, zum größten Missionar und Verbreiter der christlichen Lehre.
Ich muss dabei an Damaskus denken. Das liegt jetzt mitten im syrischen Bürgerkrieg.
Heute haben wir von der Gemeinde in Antiochien gelesen. Da ging es vor 2.000 Jahren um die Frage, ob die neue Lehre nur für die Juden gedacht ist, oder ob auch die „Griechen“ und die „Heiden“ davon erfahren sollen. Erst langsam lernten die Anhänger Jesu: ja, alle, wirklich alle können vom Geist Gottes erfüllt werden. „In Antiochia nannte man die Jünger zum ersten Mal Christen.“ (Apg 11, 26)
Antiochia am Orontes (es gibt mehrere) ist heute Antakya in der Türkei, einem Land, in dem Christen immer wieder massiv verfolgt und bedroht wurden, immer noch keine Priester und Religionslehrer ausbilden dürfen und wo sie feiern, wenn sie eine Baugenehmigung für eine Kirche bekommen.
Was ich damit sagen will?
Ich finde es wichtig, mir bewusst zu machen oder im Bewusstsein zu halten, wo die Wiege des Christentums liegt. Dann merke ich nämlich, dass die Christen, die heute an diesen Orten mit 2.000-jähriger christlicher Tradition leben, häufig um ihr kulturelles und/oder physisches Überleben kämpfen. Was immer sich Christen im Laufe der Weltgeschichte auch zu Schulde haben kommen lassen: in dieser Region waren sie immer Opfer, nie Täter. Von Anfang an wurden sie dort verfolgt und bedroht, nie war ihre Mission aggressiv.
Nicht nur christliche Autoritäten verschiedener Konfessionen warnen davor, dass die Wiege der Christenheit „ausblutet“. Auch Muslime im Irak, in Syrien etc. sagen, dass sie die Christen brauchen, denn sie haben die Kulturen dieser Länder mitgeprägt und würden ihnen fehlen. Erst das Miteinander der Religionen und Kulturen macht das Besondere dieser Länder aus.
Wenn ich auf Deutschland schaue, macht mir diesbezüglich zweierlei Sorge: einerseits diejenigen, die ihre kulturellen Wurzeln völlig vergessen haben und über das Christentum spotten, als habe es nichts mit ihnen zu tun und andererseits diejenigen, die andere Kulturen bekämpfen und unterdrücken wollen, weil sie sich ihnen überlegen fühlen. Beides ist m.E. geschichtsvergessen und kurzsichtig und wird Wachstum und Blüte unserer Gesellschaft behindern.
2 Comments
Wieso ist eigentlich gerade der Nahe Osten, der ja eigentlich der Hort des Friedens sein sollte, so von Krieg geplagt?
Eine sehr gute Frage. Ich habe keine gute Antwort. Dazu gibt es bestimmt Literatur, ich habe nur eine Vermutung: ich halte viel davon, dass die klimatischen und damit wirtschaftlichen Bedingungen die Mentalität der Menschen beeinflussen, sie leidenschaftlicher oder gelassener für ihre Ideen eintreten lassen.