Unchristlich!
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Neulich habe ich mich mit einem Facebook-Freund über Facebook-Freundschaften unterhalten. Wir waren uns einig, dass das englische Wort „friends“ eher dem deutschen Wort „Bekannte“ entspricht, was zu einer gewissen Verwirrung geführt hat, als Facebook uns alle eingeladen hat, per Mausklick „Freundschaften“ zu schließen.

Er schloss die sehr nette Unterhaltung mit „Freundschaft!“

Zuerst hätte ich fast darüber hinweggelesen. Aber ganz hinten in meinem Hirn klingelte dann doch etwas. Ich bin aus dem Rheinland und habe – das muss ich zu meiner Schande gestehen – vor 1989 keine rechte Notiz von der DDR genommen. Sie war halt da. Wir haben bestimmt auch im Unterricht darüber gesprochen, aber ich kann mich nicht erinnern, dass das einen großen Eindruck auf mich gemacht hätte. Nur dass meine Mutter Päckchen an eine Frau da drüben schickte, das hat mich nachhaltig beeindruckt. Ein komisches Land, fand ich als Kind, in das man Kaffee, Schokolade und Orangen schickt.

Egal. Jedenfalls habe ich von dem FDJ-Gruß „Freundschaft!“ wohl eher zufällig gehört. Vielleicht von meinen Eltern, vielleicht im Unterricht. Aber die FDJ war einfach kein Thema. Bei uns. Und jetzt kommt da ein Vierteljahrhundet nach der Wiedervereinigung jemand mit dieser Anspielung. Die ich zufällig verstehe. Und ich frage mich, wie das Wissen um die DDR und ihre Kultur – im Guten wie im Schlechten – eigentlich tradiert wird.

Ich kenne inzwischen mehrere Frauen, die aus der DDR geflohen sind, darunter eine, die über unseren kleinen Scherz „Freundschaft!“ wahrscheinlich nicht lachen könnte. Zu sehr hat sie unter dem Druck ihrer FDJ-Jahre gelitten. Andere waren gerne dabei und haben sich vermutlich mit Stolz und Freude so gegrüßt.

Heute muss man mindestens 30, eher 35 Jahre alt sein, um überhaupt noch Erinnerungen an die DDR zu haben. Alle Jüngeren sind auf Erzählungen angewiesen. Und was erzählen wir ihnen? Die Bundesstiftung zur Aufarbeitung der SED-Diktatur  hat im Jahr 2007 die Lehrpläne aller 16 Bundesländer auf dieses Thema hin verglichen. Erwartungsgemäß ist das Ergebnis sehr unterschiedlich. In einigen Ländern wird die friedliche Revolution fächerübergreifend mehrere Jahre lang unter verschiedenen Aspekten behandelt, in anderen gibt es ein Minimalprogramm im Geschichtsunterricht zur „Wende“.

Am besten gefallen mir die Lehrpläne, in denen die DDR auch im Deutsch- und Musikunterricht vorgesehen ist. Man kann mit Schülern viel über die politischen Entwicklungen in Europa, den kalten Krieg usw. sprechen, und wir sollten es unbedingt tun. Aber wie die Menschen sich in der DDR gefühlt haben, wie ihr Alltag war, ihre normalen kleinen Freuden, Ängste und Sorgen, das entnimmt man besser den Romanen, Spielfilmen und Liedern, die seither entstanden sind. Wenn sich die Menschen annähern sollen und nicht nur die Politiker, dann müssen wir versuchen das Lebensgefühl der DDR zu verstehen. Eigentlich könnte das ganz leicht sein, wir haben doch so viele, die wir fragen könnten. Aber geschieht das auch?

Bild: tnestke@pixelio.de

3 Comments

  1. Ich wurde in Mecklenburg, der Heimat meiner Eltern, geboren, bin aber in Niedersachsen aufgewachsen. Die DDR kam da in einem Referat vor und fertig war die Sache. Entsprechend viele Fragen habe ich meiner Familie gestellt.

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