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Kennen Sie noch den alten Schlager „Kann denn Liebe Sünde sein“ von Zarah Leander? Er stammt aus einem Film von 1938, und eigentlich führe ich ihn nicht ständig auf den Lippen, aber neulich kam er mir wieder in den Sinn.

Kann denn Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen,
wenn man sich küsst,
wenn man einmal alles vergisst,
vor Glück?

Ich war gefragt worden, ob eine bestimmte Verhaltensweise sündhaft sei. Das hat mich in eine gewisse Verlegenheit gebracht, denn natürlich könnte ich locker sagen: „Ja klar, was Du da tust, ist so sündhaft wie nur was. Geh gefälligst beichten und dann lass es!“ Aber wem wäre damit gedient?

Jeder kleine Spießer macht
das Leben mir zur Qual,
denn er spricht nur immer von Moral.
Und was er auch denkt und tut,
man merkt ihm leider an,
dass er niemand glücklich sehen kann.
Sagt er dann: Zu meiner Zeit
gab es sowas nicht!
Frag‘ ich voll Bescheidenheit
mit lächelndem Gesicht:
Kann denn Liebe Sünde sein?
Darf es niemand wissen,
wenn man sich küsst,
wenn man einmal alles vergisst,
vor Glück?

Liebe ist natürlich keine Sünde, ganz sicher nicht für einen Christen. Gott selbst ist die Liebe, wenn wir lieben können, dann weil Gott es in uns gelegt hat. Nur ein Mangel an Liebe kann Sünde sein. Worum geht es also, wenn die Kirche das eine oder andere als sündhaft bezeichnet? Doch wohl nicht um das Gefühl, sondern mehr um die Form, es auszudrücken.

Kann das wirklich Sünde sein,
wenn man immerzu an einen nur denkt,
wenn man einmal alles ihm schenkt,
vor Glück?

Niemals werde ich bereuen,
was ich tat,
und was aus Liebe geschah,
das müßt ihr mir schon verzeihen,
dazu ist sie ja da!

Dazu ist sie da? Hier ist der Punkt, wo ich Zarah Leander nicht mehr folge. Aus Liebe werden eine Menge Dummheiten gemacht. Und nicht jeder Fehler, den man begeht, ist dadurch zu rechtfertigen, dass man verliebt war. Nun war die Welt 1938 noch eine andere, es galten Dinge als schwer unmoralisch, die heute bei den meisten Menschen kaum noch ein Schulterzucken auslösen. Wenn ich über dieses Thema schreibe, habe ich womöglich andere Dinge im Kopf. Mir geht es meistens weniger um die reine Lehre oder das Prinzip, sondern mehr um die Frage, ob mein Verhalten nützt oder jemandem schadet – und sei es mir selber. (Genauer gesagt reicht die Lehre der Kirche natürlich weiter, aber ich denke, für die meisten Menschen unserer Gesellschaft – auch die kirchentreuen! – ist diese utilitaristische Sicht am ehesten nachzuvollziehen.) Aber auch unter diesem schon recht säkularisierten Aspekt ist nicht einfach alles erlaubt, nur weil es im Liebestaumel geschieht.

Liebe kann nicht Sünde sein,
doch wenn sie es wär‘
dann wär’s mir egal –
lieber will ich sündigen mal,
als ohne Liebe sein!

Das ist nun eine Haltung, wie wir sie aus der Gegenwart kennen. Wenn die Kirche etwas zur Sünde erklärt, na, dann interessiert uns eben nicht, was diese Spießer erzählen. Daran habe ich mich inzwischen gewöhnt. Aber was ich nicht akzeptieren will, ist die Darstellung, als gäbe es womöglich nur zwei Alternativen: Sünde oder ein Leben ohne Liebe. Das fand ich immer eine dumme Darstellung – bis ich mich näher mit der Haltung unserer Kirche zu Homosexuellen beschäftigt habe. Das ist ein Thema, das mir schwer im Magen liegt. Hier ist unsere Kirche inkonsequent und oft unbarmherzig. Natürlich betrifft auch das nicht die Frage der Liebe, sondern nur die der Sexualität, aber für das praktische Leben der betroffenen Menschen ist das ja nur ein schwacher Trost.
Das Lied der Leander mit dem Text des homosexuellen Bruno Balz spricht zwar zum Schluss von Mann und Frau, ist aber gerne von Schwulen interpretiert worden.

Was die Welt auch spricht von mir,
das ist mir einerlei.
Ich bleib‘ immer nur der Liebe treu!
Ach, die Frau’n, die so viel spotten,
tun mir höchstens leid;
meine Damen, bitte, nur kein Neid!
Keine Frau bleibt doch immun,
wenn ein Mann sie küsst;
jede würd‘ es gerne tun,
wenn’s auch verboten ist!
Kann denn Liebe Sünde sein…

Nein, Liebe ist keine Sünde, niemals. Nur die Form, sie auszudrücken, die tut uns selber und anderen nicht immer gut. Und manchmal begehen wir Fehler, weil wir uns von unserer Liebe hinreißen lassen und unseren Verstand ausschalten (und glaubt mir, ich weiß, wovon ich spreche, ich bin schließlich nicht im Kloster geboren). Wenn wir das Gebot Jesu ernst nehmen wollen („Liebt einander, wie ich euch geliebt habe!“), dann müssen wir als Kirche in solchen Situationen Hilfestellung leisten, bei Reue Vergebung zusprechen und neue Wege aufzeigen. Verurteilungen, Zwänge und Ausgrenzungen helfen niemandem.

2 Comments

  1. Isabelle sagt:

    „Verurteilung, Zwänge und Ausgrenzung helfen niemandem“ – das stimmt und es wäre doch schön, wenn sich die kath. Kirche daran mal halten würde. Sie schreiben in ihrem Text davon, dass es eine falsche Form des ausdrückens von Liebe gibt. Auch darin würde ich Ihnen in bestimmten Fällen zustimmen, allerdings frage ich mich, ob Sie damit die Liebe zwischen homosexuellen Paaren meinen. Der Text wirkt so auf mich und in diesem Fall wäre ich nicht mit Ihnen einer Meinung. Denn Sie schreiben davon, dass die Kirche in solchen Fällen „Vergebung, Hilfestellung und neue Wege aufzeigen soll“, wenn Liebe schadhaft ist. Liebe zwischen homosexuellen Menschen ist aber nicht schädlich, da es sich um eine freiwillige Beziehung zwischen Erwachsenen handelt. Folglich bedarf es dort keiner Hilfestellung oder Vergebung – allenfalls einen neuen Weg der Kirche, nämlich den der Akzeptanz.
    Falls es in dem Text nicht um dieses Thema geht, bitte ich um Entschuldigung, dann ist es ein Missverständnis.
    Beste Grüße,
    Isabelle

  2. Liebe Isabelle, vielen Dank für den Kommentar und die Nachfrage. Ich habe mich bewusst vage ausgedrückt. Ja, es geht um Homosexualität – aber nicht nur. Wenn es sich bei einer homosexuellen Partnerschaft um eine Beziehung auf Augenhöhe handelt, in der wirklich beide frei sind, bin ich die letzte, die dort Hilfe anbieten würde. Ich hatte aber jetzt ganz konkret eine Beziehung vor Augen, die mir merkwürdig vorkam, wo es ein Gefälle gab, vielleicht sogar eine Abhängigkeit. Das toleriere ich nicht, auch nicht, wenn mir jemand sagt, Homosexualität sei an sich doch ganz in Ordnung. Außerdem gilt es natürlich auch für heterosexuelle Beziehungen: manche Formen von Beziehungen tun uns einfach nicht gut. Und wir neigen heute dazu, alles zuzulassen, weil die Liebe alles erlaubt. Die Sexualmoral der Kirche versucht ein Ideal zu erklären, das diese lebensfeindlichen Formen ausklammert, nur halten Ideale so selten der Realität stand.

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