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Die Statuette des sel. P.Lataste vor seiner Grabeskapelle in Montferrand. Zu seinen Füßen die gefangenen Frauen, denen er ihre Würde zurückgab.

Nach längerer Pause setzen wir eine unserer Reihen fort:

Frag doch mal die Schwester, Teil 31:

Würden Sie sich selbst einem von Grund auf bösen Menschen wie einem Terroristen oder Massenmörder zuwenden? Gibt es Grenzen?

Der Hintergrund dieser Frage war unsere Spiritualität, die ich vorgestellt hatte: Aus Sündern können Heilige werden. Vorbilder gibt es dafür reichlich: die hl. Maria Magdalena (unsere Patronin), Petrus, Paulus, später Augustinus usw.

Der Gründer unserer Gemeinschaft, der inzwischen seliggesprochene Pater Jean Joseph Lataste, hat das 1864 in einem französischen Frauengefängnis erkannt. Er sah die Frauen, die zu Recht verurteilt worden waren, und die doch ernsthaft bereuten und ein neues Leben anfangen wollten. Ihm wurde klar – geradezu eine Offenbarung – dass diese Frauen dieses neue Leben, diese neue Chance bekommen, und zwar von Gott. Nur wir Menschen sind so hartherzig, dass wir andere auf die Taten der Vergangenheit festlegen. Gott interessiert nicht unsere Vergangenheit, ihn interessiert nicht, ob wir gefallen sind. Gott interessiert nur die Gegenwart, ihn interessiert nur, wie viel wir ihn lieben.

Das ist der Ursprung der Dominikanerinnen von Bethanien, einer Gemeinschaft, in der keine danach beurteilt werden soll, was sie in ihrer Vergangenheit getan hat. Wir wetteifern miteinander darum, wer Gott am meisten liebt, unsere Herkunft spielt keine Rolle. (naja, das ist jedenfalls das Ideal…)

Nun zu der Frage: Nach diesem Ideal wenden wir uns jedem Menschen zu. Natürlich haben auch wir Grenzen, einfach menschlich gesehen. Nicht jede kann alles. Aber wir haben immer wieder Schwestern, die in der Gefangenenseelsorge tätig waren und sind, und von ihnen habe ich oft gehört, dass sie sich die Akten der Gefangenen gar nicht zeigen lassen. Es ist egal, ob sie mit einem Mörder oder mit einem Dieb sprechen. Weil sie die Menschen nicht so sehen. Sie sprechen nicht mit einem Mörder. Sie sprechen mit einem Menschen, der eine furchtbare Tat vollbracht, einen schrecklichen Fehler begangen hat. Und dessen Leben danach weitergeht.

Wie ist es nun mit Terroristen und Massenmördern? Ehrlich gesagt: ich weiß es nicht. Bei einem Terroristen denke ich an ideologische Verblendung. Bei einem Massenmörder an psychische Erkrankung. Ist das ein Klischee, ein Vorurteil? Ganz sicher bin ich, dass es keine „von Grund auf bösen Menschen“ gibt! Jeder Mensch ist von Grund auf gut, denn wir alle sind von Gott geschaffen, sind geliebte Kinder des einen Vaters, der zu seiner Schöpfung gesagt hat: es ist sehr gut. Niemand wird als Terrorist oder als Massenmörder geboren. Sicher: es gibt schwierige Charaktere, es gibt schwierige Lebensumstände. Aber bis zum Amoklauf ist es dennoch ein weiter Weg. Dann gibt es eine Entscheidung zu einer Tat.

Und wenn der Täter diese Tat überlebt, ist er danach immer noch ein Mensch, der sich jederzeit wieder ändern kann – so wie jeder von uns sich jeden Tag ändern kann.

2 Comments

  1. schottlandfan sagt:

    Mich hat diese Statur von P. Lataste ziemlich irritiert, und ich habe eine Weile gebraucht, um zu verstehen, warum. Von der Darstellung her geht sie für mich an dem vorbei, was Lataste wichtig war und was er in Bethanien neu angestoßen hat. Bei seiner Predigt im Frauengefängnis in Cadillac 1864 sprach Lataste die Frauen bewusst mit „meine lieben Schwestern“ an. Bei der Gründung der Dominikanerinnen von Bethanien ging es ihm dezidiert darum, dass die Frauen aus dem Gefängnis nicht in ein, wenngleich auch vergleichsweise gutes, Heim für entlassene Gefangene kommen, in denen sich paternalistisch betreut und damit auf ihre Vergangenheit festgelegt werden. Stattdessen sollten Frauen, egal, woher sie kamen, nach einer gewissen Zeit nicht mehr zu unterscheiden sein. Diese Augenhöhe und dieses Anliegen, das wirklich Neue an Bethanien, fehlt mir in dieser Darstellung, wenn die Frauen wie kleine Kinder unter den Mantel des ‚großen‘ Lataste schlüpfen. Damit zementiert diese Figur eine Denkweise, die Lataste selbst überwinden helfen wollte.

  2. Lieber Schottlandfan, tut mir leid, dass Du so lange auf die Freigabe gewartet hast. Ich hab immer noch technische Probleme und hatte Deinen Kommentar einfach nciht gesehen.
    Zur Sache: Ich verstehe, was Du meinst, es ging mir anfangs genauso. Allerdings habe ich mich inzwischen mit dieser Darstellung ausgesöhnt. Es soll ja die Verehrung der gefangenen Frauen dargestellt werden. Wenn man eine Schutzmantelmadonna hat, sind die Menschen, die unter dem Mantel zusammenkommen, auch winzig dargestellt – das schmälert aber nicht ihren Wert.
    Im Übrigen darf man das mit der Augenhöhe wohl nicht idealisieren. Im 19. Jahrhundert war das Priesterbild noch ein anderes, und bei allem Bemühen um Wertschätzung hatten die Frauen (unabhängig von ihrer Vergangenheit) sicherlich nicht das Gefühl, sich mit „Vater Stifter“ auf Augenhöhe zu befinden. Ich sehe diese Darstellung also eher historisch. Dann kann ich sie haben.

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