„Darum bitten wir durch Jesus, unseren Bruder und Freund. Amen.“
In den letzten Jahren und Jahrzehnten ist Jesus – zumindest wenn man unserer Sprache im Gottesdienst nachgeht – immer mehr zu unserem Freund geworden. Wir sind ihm nah gekommen, haben keine Angst oder Scheu mehr. Das ist gut so.
Allerdings glaube ich, dass viele Menschen darüber das Bewusstsein verlieren, dass Jesus eben nicht einfach ein beeindruckender Mensch war. Er war kein früher Mahatma Gandhi oder so. Jedenfalls glauben wir Christen, dass er zwar ein Mensch, aber zugleich auch Gott war – schwer zu verstehen und schon zu Jesu Lebzeiten eine skandalöse Vorstellung. Im heutigen Evangelium (Joh 5, 17-30) wird erzählt, wie sich die Situation weiter zuspitzt, weil er sich als Sohn Gottes beschreibt. Das ist für die jüdischen Religionsführer eine unerträgliche Lästerung.
Und für uns heute? Haben wir uns an die Formulierung so gewöhnt, dass wir den Skandal gar nicht mehr nachvollziehen können? Oder haben wir den Glauben daran verloren? Gott wurde Mensch. Und als dieser Mensch wählt er einen Weg, der mit einer Flucht beginnt und mit dem Foltertod endet. Er, der Höchste, hat sich klein gemacht und erniedrigt. Warum? Vielleicht darum: Nie wieder soll ein Mensch sagen können: ich bin so tief unten, hier bin ich gottverlassen.