Magnificat
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Nicht ärgern, nur wundern!
17. August 2019

In Bethanien ist die Liturgie immer wieder sehr kreativ.

Gestern habe ich an dieser Stelle vom Magnificat geschrieben, dem „Dekalog Marias“. An ihm wurde mir von neuem deutlich, wie sehr das Christentum eine Religion der Freiheit ist. Unsere Religion dreht sich nicht darum, was wir für Gott tun (müssen), sondern darum, was er für uns getan hat. Das könnte uns eine große Gelassenheit geben, denn all unser Gottesdienst ist ja keine Pflicht sondern eine Kür, eine freiwillige Antwort auf die Liebe, die Gott uns zuerst erwiesen hat.

Allerdings erlebe ich nur wenige Katholiken, die sich so frei fühlen. Dagegen gibt es immer noch viele, die sich und andere in Gottesdienste zwingen, weil es ja vorgeschrieben ist. Tatsächlich existieren ja auch nach wie vor etliche Vorschriften, z.B. das Sonntagsgebot, aber macht es Sinn, einen Gottesdienst zu besuchen, wenn man gar kein Bedürfnis danach hat? Im Extremfall geht es sogar um die genaue Form, da muss dann alles ganz exakt stimmen. Wenn ein Gebet etwas freier formuliert oder eine Lesung weggelassen wird, geht für manche schon die Welt unter. Mir ist bewusst, wie abwertend das jetzt klingt, aber ich denke dabei an Menschen, die die Einhaltung der Liturgie fast zwanghaft verfolgen, und diesen Formalismus kann ich einfach nicht nachvollziehen. Wohl verstehe ich gut, wenn jemand es gerne ästhetisch und stilvoll möchte, und ich selber habe es auch gerne liturgisch korrekt. Ja. Aber wenn es das nicht ist, weil z.B. jemand die Liturgie mit vorbereitet hat, der sich nicht auskennt oder im Überschwang der Begeisterung etwas ausprobieren wollte, ist das dann „falsch“? Ist der Gottesdienst dann nichts wert oder nicht „gültig“?

Jesus hat uns eine klare Vorgabe gemacht: „Der Sabbat ist für den Menschen da, nicht der Mensch für den Sabbat.“ Religiöse Gesetze sind wichtig, aber nur insofern sie uns helfen zu Gott zu kommen. Wir sollen sie nicht um ihrer selbst Willen erfüllen. Was das im Einzelnen bedeutet, muss man wohl von Fall zu Fall entscheiden. Natürlich macht z.B. der Aufbau einer Messe Sinn, er ist nicht einfach willkürlich erfunden worden. Doch wenn Menschen durch diese Form nicht mehr zu erreichen sind, müssen wir andere Formen suchen. Natürlich macht die Sonntagspflicht Sinn, denn die Kontinuität ermöglicht eine verlässliche Beziehung eigentlich erst richtig. Aber wenn die Sonntagsmesse eher Aggressionen weckt als Glaubensfreude, dann fragt sich, ob die Gottesbeziehung und der Kontakt zur Gemeinde nicht auch anders gepflegt werden können.

Und diese Frage stellt sich inzwischen immer öfter. Es gibt ja viele – und das ist dann das andere Extrem -, die sich in den festgelegten Ritualen gar nicht mehr wiederfinden – und einfach wegbleiben. Natürlich können sie auch alleine auf Gottes Liebe antworten – das müssen wir alle sogar. Unsere Beziehung zu Gott ist ja immer etwas Individuelles. Aber reicht das? Es ist doch etwas anderes, ob ich alleine bleibe mit meinem Glauben, oder ob ich mich mit anderen treffe und austausche über diesen großen und mächtigen Gott, der mein Herz berührt hat. Deshalb ist Maria zu Elisabeth gegangen, nachdem der Engel bei ihr war: erst in der Ansprache ihrer Verwandten konnte sie wirklich begreifen , was er ihr gesagt hatte: „Du bist gesegnet.“ Solange sie allein war mit dieser Aussage, war sie verwirrend und schwer verständlich. Erst als die andere Frau diese Zusage wiederholt und sich mit ihr freut, kann Maria das Magnificat jubeln. „Und sie blieb etwa drei Monate bei Elisabeth“ – eben so lange wie es dauert, bis eine Frau sich ihrer Schwangerschaft etwas sicherer sein kann. Bis dahin konnte sie von dem Kind noch nichts sehen oder spüren. Bis dahin brauchte sie die andere, um überhaupt glauben zu können. Und so brauchen auch wir einander, gerade wenn der Glaube mal unsicher wird. Wir müssen einander zusagen, dass Gott bei uns ist und uns segnet, auch und gerade, wenn außergewöhnliche Dinge passieren und es mal nicht so läuft, wie wir es gerne hätten.

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