Das Gute im Schlechten – Teil zwei
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Aus dem Hinterhalt
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Die Entdeckung der Natur, die neuen Arbeitsformen… Ein weiterer Punkt, der schon sehr früh vielen Menschen aufgefallen ist, war, dass überall so viel Kreativität frei wurde.

Um kreativ zu werden, braucht man ein gewisses Maß an Zeit und Freiheit – man könnte auch sagen Langeweile. Und alle, die das plötzlich hatten, kamen auf die verrücktesten Ideen. Unsere Kinder zum Beispiel malen sowieso gerne mit Kreide. Aber jetzt musste das ganze Kinderdorf trotz homeschooling viel mehr zuhause beschäftigt werden als sonst, und die Erzieher riefen eine Challenge aus: wer hat den schönsten Hauseingang? Ich weiß nicht, welches Haus gewonnen hat, aber ich fand den „Affenzirkus“ von Haus neun besonders schön!

Im Internet gab es die witzigsten Sachen. Aber auch in der analogen Welt fangen Menschen plötzlich an, auf wunderbare Weise miteinander zu spielen: sie bemalen z.B. Steine und legen sie irgendwo hin – damit andere welche dazulegen. Und es funktioniert! Wer hätte sich sowas vor drei Monaten vorstellen können?

Es gab aber nicht nur Spielereien. Auch die Probleme, die sich stellten, wurden und werden zum Teil erstaunlich kreativ gelöst. Manchmal wundere ich mich, was alles möglich ist. Eine Ordensgemeinschaft ist ja manchmal etwas… sagen wir behäbig, zumal wenn mehr als drei Menschen im Konvent leben und einige davon auch schon etwas älter sind. Dann diskutiert man schon mal gerne länger daran herum, ob man jetzt die Sitzordnung ändert, oder die Tagesordnung oder überhaupt irgendeine Ordnung.

Jetzt nicht. Jetzt war plötzlich allen klar: „Das haben wir schon immer so gemacht“ bzw. „Das haben wir ja noch nie so gemacht“ sind gerade keine stichhaltigen Argumente. Denn diese Situation ist neu, so richtig neu. Alle Welt macht gerade Dinge, die sie noch nie gemacht haben, das ist halt das Gebot der Stunde. Und plötzlich geht es, dass wir in der Kirche auseinanderrücken, dass Gottesdienste verändert werden oder sogar ausfallen müssen. Plötzlich können wir den Alltag anders organisieren, sind viel flexibler. Es hat ja auch kaum eine noch einen Termin! Zwischendurch haben wir immer wieder die Berichte von unseren Mitschwestern in den Altenheimkonventen gehört, die teilweise ihre Zimmer nicht verlassen dürfen. Dann war klar: keine meckert über irgendwas, das bei uns geändert werden muss (vom gelegentlichen Lagerkoller abgesehen). Alles ist gut.

Und wie immer frage ich mich: was wird davon nach der Krise bleiben? Werden wir, wenn der Stress wieder losgeht, auch wieder aufhören zu spielen? Werden wir unter dem Arbeitsdruck unsere neugewonnene Flexibilität wieder einbüßen? Oder werden wir irgendetwas davon behalten?

Übrigens: Besonders kreativ werden wir Schwestern bei der Liturgie, aber das ist ein eigenes Kapitel und soll an einem anderen Tag erzählt werden…

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