Nachfolge
24. Oktober 2020
Weihnachten ohne Gottesdienst
16. Dezember 2020
Oh mei, in welchem Jahrhundert leben wir eigentlich? Ist es wirklich noch immer nötig, den (erwachsenen) Menschen zu erklären, dass Gott kein „strafender, alter, weißer Mann mit Bart“ ist? Ich dachte, wir wären weiter. Achso, sorry, es geht um den gegenderten Gott, um die neue Mode, „Gott*“ zu schreiben, bin gerade in einem Artikel bei katholisch.de drüber gestolpert.
Der Genderstern soll zeigen, dass Gott mehr ist, als man denken kann. Wunderbar, das ist ein nobles Anliegen. Wenn die KSJ oder die evangelischen Geschwister oder wer auch immer dafür ein Gendersternchen braucht, dann sollen sie es gerne aufmalen. Denn – nur der Deutlichkeit halber – ja, natürlich ist Gott weder Mann noch Frau. Und ja, unser männlich geprägtes Gottesbild ist nicht unproblematisch. Es sitzt allerdings tief, ob wir es mit dem Sternchen wegkriegen, bezweifle ich. Vielversprechender finde ich ja, sich geistlich damit auseinander zu setzen. Wie begegnet mir Gott? Was bedeutet es, wenn ich „ihn“ als Mann denke? Was für Gefühle entwickle ich dann für „ihn“? Was macht das mit meinem Glauben? Dann kann ich versuchen, über den Verstand zu gehen und Gott als „Vater und Mutter“ zu denken usw. Gebete lassen sich schnell umschreiben. Bis das im Gefühl ankommt, dauert es wesentlich länger. Versuchen kann man es natürlich. Wie gesagt: wenn das alles noch nötig ist, ich dachte, wir wären längst weiter.
Aber bitte: Jesus war nun mal ein Mann. Ich weiß, viele Feministinnen bedauern das heftig (übrigens auch schon seit etwa 30, 40 Jahren, die Diskussion ist nicht wirklich neu). „Jesus“ zu gendern geht nun wirklich zu weit. Es zeugt nicht von einem weiten Geist, sondern davon, dass jemand nicht bereit ist, die Menschwerdung Gottes wirklich zu Ende zu denken. Gott wurde ein Mensch. Nicht die abstrakte Idee des Menschen, sondern – wie es im Johannesevangelium heißt: „das Wort ist Fleisch geworden“. Und da musste es sich halt für ein Geschlecht entscheiden. Die Frage ist aber doch, welche Konsequenzen das hat. Jesus selber hat Frauen nicht immer toll behandelt, aber insgesamt entscheidend besser als seine Umwelt. Wer sich auf seine Männlichkeit beruft, um Frauen in der Kirche zu unterdrücken, kennt die Bibel nicht oder verbiegt sie. Also: Jesus war ein Mann. Und?
Hermann Gröhe, der Kirchenbeauftragte der Union, nannte die Menschwerdung Gottes „seine radikale Zuwendung zu Menschen jeden Geschlechts“. Das gefällt mir, denn darum geht es. Nicht um die Männlichkeit sondern um die Menschlichkeit Jesu geht es an Weihnachten. Und nicht um die Geschlechtlichkeit sondern um die Menschlichkeit des unfassbar großen Gottes sollte es uns auch insgesamt gehen.
Um noch einmal Hermann Gröhe zu zitieren: „In einer Zeit, in der uns allen Halt gut tut, rate ich uns, lieber dem ,Stern von Bethlehem‘ zu folgen.“

2 Comments

  1. Ich denke da zwar ähnlich wie Sie, aber nicht gleich. Denn ich mag es, Gott auch weiblich anzureden, und ich werde den Genderstern immer verwenden, wo ich kann.

    • Ich war einige Zeit in einer Gemeinde, in der der Priester konsequent von Gott als „Vater und Mutter“ sprach. Mich hat das ziemlich genervt, aber ich habe erlebt, dass es für viele Menschen eine regelrechte Befreiung war. Insofern will ich das nicht schlecht machen. Ich bin nur immer wieder fassungslos, dass heutzutage Menschen tatsächlich noch von dem strafenden Vatergottesbild befreit werden müssen.
      Ich persönlich habe das männliche Gottesbild ganz gern. Mir als Frau ermöglicht es eine emotionale Annäherung im Stil der mittelalterlichen Brautmystik, die bei einem weiblichen Gottesbild nicht möglich wäre. Aber das ist natürlich – wie gesagt – eine sehr persönliche Ansicht.

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