Gott*
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Meine Kirche?
18. Dezember 2020

Nun wird diskutiert, ob die Kirchen an Weihnachten Gottesdienst feiern sollen. Heute hat sich einer unserer Mitbrüder, Pater Thomas Eggensperger OP, auf katholisch.de dazu geäußert und einen freiwilligen Verzicht vorgeschlagen. Ich schätze ihn sehr – aber hier möchte ich doch widersprechen.

Die Politik verbietet die Gottesdienste nicht. Das könnte als Angriff auf die Religionsfreiheit verstanden werden und würde nur Widerstand auslösen. In der ersten Welle haben die Kirchen selber die Gottesdienste ausgesetzt. Müssten sie das jetzt wieder tun? Hofft die Politik vielleicht sogar auf diesen freiwilligen Verzicht? Pater Thomas Eggensperger hält ihn für „die einzige Möglichkeit, guten Gewissens Weihnachten zu feiern“ und für ein „Zeichen der gesellschaftlichen Verantwortung der Kirchen“.

Hmm. Einerseits kann ich den Gedanken wohl nachvollziehen. Andererseits frage ich mich: was genau feiere ich denn da guten Gewissens, wenn ich nicht in die Kirche gehe? Feiere ich das Fest der Familie, die ich dieses Jahr nicht besuchen soll („Trag Corona nicht zu Oma!“)? Das Robert-Koch-Institut hat gerade wieder bekanntgegeben, dass die privaten Familienfeiern die Hauptquelle für die Neuinfektionen sind, mit Abstand vor allen anderen Orten und Gelegenheiten.

Oder feiere ich, dass ich diesmal die ultimative Ausrede habe, dass ich nicht alle Geschenke beieinander habe? Endlich nach Herzenslust Gutscheine schreiben – jeder wird es verstehen! Wenn man die Verwandten denn überhaupt sehen wird, denen man sonst immer was schenken muss, obwohl man sie weder richtig kennt noch mag. Was werden wir ein Geld sparen – und Nerven! Das ist schon ein Grund zu feiern, oder nicht?

Entschuldigung, da bin ich doch glatt ein wenig zynisch geworden. Und das trotz des ernsten Themas. Dabei ist ja längst klar, was ich sagen will: Jenseits der säkularen Feier ist Weihnachten das Fest, an dem es auch Menschen in die Kirche zieht, die sich dort sonst nicht mehr so heimisch fühlen. Warum? Was suchen sie? Geht es wirklich nur um den Lichterglanz? Den gibt es (normalerweise) auf Weihnachtsmärkten auch! Geht es nur um die Weihnachtslieder? Macht dir jede CD! Oder geht es vielleicht doch (auch) darum, dass dieses Fest einen Sinn hat und uns einen Sinn geben kann? Dieser Sinn jedoch liegt in Gott, in seiner Menschwerdung.

Unsere Gesellschaft verlernt, von diesem Gott und mit ihm zu sprechen. Wenn die Kirchen eine „gesellschaftliche Verantwortung“ haben, dann ist es die, den Menschen diese Sprachfähigkeit zu erhalten, den Blick für das Göttliche zu weiten oder wenigstens die Option für das Transzendente offen zu halten, die so vielen Menschen längst abhanden gekommen ist. Alles andere ist zweitrangig! Die sozialen Werke, unser Dienst am Nächsten sind nur Folge unserer Gottesbeziehung und ohne sie hohl. Wenn wir an Weihnachten nicht mehr Gott (be-)suchen, dann brauchen wir keine Kirche mehr. Weihnachtsfeiern für Obdachlose können andere auch. Auch ohne Gott. Wir weisen auf den zentralen Inhalt dieses Festes hin und ermöglichen den Menschen, ihn zu feiern – oder wir lösen uns besser auf.

Selbstverständlich darf nichts davon auf Kosten der Menschen gehen. Muss es aber auch nicht. Die Hygienekonzepte der Kirchen sind streng, haben sich seit Monaten bewährt und werden sozusagen dauernd angepasst. Wer sich trotzdem in einer (Corona-)vollen Kirche nicht wohl fühlt, der muss ja nicht hingehen. Denn natürlich werden viele Gottesdienste ins Internet und Fernsehen übertragen werden. Das ist auch gut so! Aber sie ersetzen die Präsenzgottesdienste eben nicht ganz – und vor allem nicht für jeden. Mancher, der alleine lebt, freut sich vielleicht auf diese Gelegenheit, wenigstens von weitem den Bekannten zu winken und „Frohe Weihnachten“ zu wünschen. Manch alter Mensch wird mit dem Internet auch nicht warm. Und ich kenne sogar Menschen, die kein Fernsehen haben.

Feiern wir also lieber sichere Gottesdienste. Kurz. Ohne Gemeindegesang. Selbstverständlich mit Masken und Anmeldung. Und lieber ein paar mehr, ganz sicher auch welche an den Werktagen, damit auch bestimmt alle, die Wert darauf legen, mitfeiern können, ohne dass es zu voll wird. Das alles ist nicht so schön. Trotzdem werden wir in diesen Feiern das Wort Gottes und andere wunderbare Texte hören, dazu schöne Musik. Wir werden in den besonderen, heiligen Räumen Kerzen und Krippen sehen und spüren, wie besonders das ist, was wir feiern. Finden Sie das zu sinnlich und gefühlsbetont? Nun ja, bin halt katholisch. Aber letztlich ist die Weihnachtsbotschaft eben auch ein Geheimnis, dem wir mit dem Verstand nicht wirklich beikommen. Gott wurde Mensch. Das kann man nicht verstehen. Also feiern wir es!

2 Comments

  1. Ich glaube, viele Menschen sind spirituell oder gläubig, aber eben nicht kirchlich oder religiös. Darum gibt es wohl so viele Menschen, die man manchmal U-Boot-Christen nennt.

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