Heute feiert die katholische Kirche ein Fest, mit dem ich lange nicht viel anfangen konnte: Wir feiern, dass Maria mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen worden ist.
Das zugehörige Dogma ist jung, von 1950, und ich habe mich gefragt, wozu die Kirche so etwas behauptet. Denn natürlich macht die Bibel keinerlei Aussagen dazu, was mit der Mutter Jesu am Ende ihres irdischen Lebens passiert ist. Es gibt nicht – wie bei Jesus – eine Passage „und sie verschwand vor ihren Augen“. Das einzige, was wir sicher wissen, ist, dass wir kein Grab von ihr kennen.
Nun will ich hier nicht lästern! Ich habe durchaus einen Zugang zu Maria. (Hier habe ich auch schon mal darüber geschrieben.) Der führt allerdings vor allem über ihre Berufung. Sie hat als junges Mädchen „Ja“ gesagt, ohne wirklich zu wissen, was auf sie zukommt. Das hat mich schwer beeindruckt, als ich meine Ordensberufung entdeckt habe und es dann nach und nach auf die definitive Entscheidung zuging. Diese irdische, menschliche Maria, die ist mir also lieb und teuer.
Wenn es allerdings um die Marienverehrung geht, die heutzutage an verschiedenen Orten zu beobachten ist – damit tue ich mich schwer. Die will ich niemandem ausreden, natürlich nicht, aber damit kann ich einfach nichts anfangen. Zum Glück muss ich nichts mitmachen, was mir zu weit geht (von etlichen kitschigen Mariendarstellungen mal abgesehen, um die man als Katholikin halt nicht herumkommt).
Etwas anderes ist es mit dem Dogma, das wir heute feiern: Maria ist leiblich in den Himmel aufgenommen worden. Ist ein Lehrsatz der katholischen Kirche. Muss ich glauben! Was mache ich also damit? Achselzucken, weitergehen? Das war mir immer zu wenig!
Geholfen hat mir meine Novizenmeisterin, die mich darauf hinwies, dass es gar nicht, oder jedenfalls nicht nur um ein physikalisches Wunder geht. Papst Paul VI. hat das Dogma 1968 folgendermaßen erklärt:
„Verbunden … mit dem Geheimnis der Menschwerdung und Erlösung, wurde die allerseligste Jungfrau … am Ende ihres irdischen Lebens mit Leib und Seele in die Herrlichkeit des Himmels aufgenommen und – in Vorausnahme des künftigen Loses aller Gerechten – ihrem auferstandenen Sohne in der Verklärung angeglichen.“
https://de.wikipedia.org/wiki/Leibliche_Aufnahme_Mariens_in_den_Himmel
„In Vorausnahme des künftigen Loses alles Gerechten“ – es geht hier nicht nur um Maria, es geht um uns alle! Kurz davor hatte das Zweite Vatikanische Konzil formuliert, Maria sei „Bild und Anfang der in der kommenden Weltzeit zu vollendenden Kirche“. Es ist eine Verheißung: So wie Maria, so wird es auch der Kirche gehen, wenn sie vollendet wird. Eigentlich kann man also alle Mariendogmen als Aussagen über die Kirche lesen. Und die Kirche, nun, das sind wir alle, die Gemeinschaft der Gläubigen! Was die Kirche über Maria lehrt, hat also direkt mit mir zu tun, insofern es kein Tatsachenbericht über ein Mädchen in Galiläa vor 2.000 Jahren ist sondern eine theologische Aussage: zeitlos und weltweit gültig.
Wenn ich das lese, dann denke ich nicht mehr darüber nach, ob Maria jetzt vor 2.000 Jahren tatsächlich wundersam von der Erde weggebeamt wurde oder nicht. Ich glaube, dass Gott die Welt erschaffen hat, da werden ihm die Naturgesetze keine Schwierigkeiten bereiten. Aber das physikalische Wunder ist nicht der Punkt. Ich brauche es nicht als Beweis für das, worum es eigentlich geht. Denn was dieses Dogma eigentlich behauptet, kann sowieso niemand beweisen: Wir alle sollen mit Leib und Seele in den Himmel aufgenommen werden!
Es ist die Lehre, dass für uns und unseren Gott der Körper, der Leib so wichtig ist, dass er auch nach dem Tod nicht verloren geht. Es ist viel darüber nachgedacht worden, wie dieser „verklärte“ Leib dann sein wird – wir wissen es nicht. Jedenfalls ist die christliche Auferstehung nichts rein gedankliches. Ich finde das eine ziemliche Zumutung, zumal ich immer mehr Menschen kenne, die sich eine Auferstehung überhaupt nicht mehr vorstellen können. Andererseits gefällt mir der Gedanke, dass mein Körper für Gott wichtig ist. Für mich ist er das nämlich auch. Auch wenn ich nicht immer glücklich damit bin – wirklich nicht! – so ist meine Identität doch maßgeblich durch meine Körperlichkeit geprägt. Und meine Identität, die wird jedenfalls nach meinem Tod bei Gott erhalten bleiben. Nicht weniger als die von Maria. Wenn man es so betrachtet, hat dieses Dogma eigentlich doch eine tolle Aussage.