Dieses Jahr habe ich den Karfreitag wieder zweimal gefeiert: um 11:00 Uhr mit Kindern und um 15:00 Uhr klassisch. Im direkten Vergleich wird mir überdeutlich, warum ich so gerne mit Kindern über Gott spreche.
Wir haben um 11:00 Uhr ziemlich genau das Gleiche gemacht, was in der traditionellen Liturgie am Karfreitag vorgesehen ist: wir haben die Passion gelesen, das Kreuz verehrt und die großen Fürbitten gebetet. Dazu kamen noch ein paar Gebete, Lieder und anstelle der Predigt meine Katechese. Natürlich habe ich alle Texte umgeschrieben, so dass die Kinder sie verstehen konnten. Die Passion haben wir mit verteilten Rollen gelesen, damit den Kindern auch klar wird, was eigentlich passiert. Wenn „das ganze Volk“ in Aufruhr gerät und „kreuzige“ schreit, dann muss man das auch hören. Wenn das ein einzelner vorliest, ist das viel zu abstrakt. Unser Volk war ziemlich lebhaft und skandierte (zu viert) mit durchaus überzeugender Lautstärke: „Weg mit ihm! Ans Kreuz mit ihm! Weg mit ihm! Ans Kreuz mit ihm!“
Andererseits male ich den Kindern nicht detailliert aus, was das bedeutet. Die Bibel beschreibt die Folter Jesu ja ziemlich drastisch, das müssen Kinder noch nicht hören. Viel wichtiger sind Gefühle und Beziehungen: warum verleugnet Petrus seinen Freund? Aus Angst vor den Römern. Warum verurteilt Pilatus einen Unschuldigen? Aus Angst vor den Juden.
Und schließlich die Frage: warum musste Jesus überhaupt sterben? Warum diese Anklage, und warum ist er nicht weggelaufen?
Erwachsene haben auf solche Fragen Antworten, die mir wie Reiscräcker vorkommen: man denkt, man hat ordentlich was in der Hand, beißt rein – und wird nicht satt. „Jesus starb für unsere Schuld.“ Was heißt das denn? „Er wurde geschlagen wegen unserer Verbrechen.“ Wie bitte? In Wirklichkeit ist das natürlich „Schwarzbrot“, also etwas, das man lange meditieren und durchkauen muss, bis es sich erschließt. Aber wenn ich die Zeit zur Meditation gerade nicht habe, bleiben es Floskeln, und ich dümple an der Oberfläche theologischen Halbwissens.
Bei Kindern geht das natürlich nicht. Um ihnen den Karfreitag zu erklären, muss ich „elementarisieren“: die Theologie herunterbrechen auf die Elemente, die so wesentlich sind, dass auch Kinder sie verstehen können. Und gerade dadurch packt auch mich die Botschaft oft erst so richtig.
Warum wurde Jesus angeklagt? Wegen Gotteslästerung. Er hat einen liebevollen und barmherzigen Gott gepredigt, das war für die religiösen Führer bedrohlich. Wenn die Menschen keine Angst mehr vor Gott haben, können die Priester sie nicht mehr so gut kontrollieren. Jesus wurde letztlich angeklagt, weil er uns gesagt hat, dass wir keine Angst vor Gott haben müssen. Davon ist er auch nicht abgewichen, als es brenzlig wurde. Wäre er weggelaufen, hätte sich die Botschaft nicht verbreitet. Aber alle Menschen sollten wissen, dass Gott sie liebt. Und dadurch, dass er für uns durchgehalten hat, wissen wir jetzt: auch wenn es uns mal schlecht geht, ist Jesus immer bei uns. Er lässt uns nie im Stich.
Das ist eigentlich schon alles. Ganz wichtig aber noch: An Ostern kommt dann das gute Ende der Geschichte. Gott ist stärker als der Tod. Aber das nur als Spoiler.
Zur Kreuzverehrung haben wir übrigens Herzen ans Kreuz gelegt. Jesus will unser Freund sein, dafür wollen wir ihm danken und ihm zeigen, dass wir ihn auch lieb haben. Das ist eine Kinderformulierung, aber die Erwachsenen haben ihre Herzen auch ans Kreuz gelegt. Sie scheinen die Botschaft auch verstanden zu haben.