„Mutter Stifterin“
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Klischees
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Als junge Frau war ich einmal im Theater, in einem modernen Stück. Titel und Handlung habe ich längst vergessen, ich vermute, es ist kein Verlust. Ich weiß aber noch, dass es zunehmend blasphemisch und obszön wurde, anfangs nur ein bisschen, ein paar kleine Anspielungen, dann immer mehr. Schließlich hing einer der Schauspieler hoch in der Luft nackt an einem Kreuz und rief laut das Vaterunser.

Andere Zuschauer waren schon vorher rausgegangen, das war nun der Moment, wo ich den Saal verlassen habe. Vielleicht war das ja Kunst und ganz toll, aber ich fand es widerlich und ordinär. Es verletzte meine religiösen Gefühle, und ich wollte mir das einfach nicht mehr länger ansehen und -hören. Musste ich ja auch nicht. Das Theater war frei, diese Inszenierung zu spielen, und ich war frei, sie mir anzusehen oder eben wieder zu gehen.

Auf eine Idee wäre ich allerdings nicht im Traum gekommen, nämlich zum Regisseur zu gehen und zu sagen, er solle die Aufführung sofort beenden. Wahrscheinlich hätte das damals (vor etwa 25 Jahren) auch höchstens für Kopfschütteln gesorgt. Denn immerhin sind die meisten Zuschauer ja sitzen geblieben! Es fanden also längst nicht alle dieses Schauspiel so widerlich wie ich – was meine Empörung zusätzlich gesteigert hat. Sie wollten wirklich weiter zusehen – unerhört!

Heute gibt es Menschen, die tatsächlich den Abbruch einer Veranstaltung verlangen, wenn sie ihnen nicht gefällt – und die damit durchkommen. So ist es gerade am 18.7. der Schweizer Band „Lauwarm“ ergangen. Der Vorwurf der empörten Zuschauer war: die überwiegend weißen Musiker spielen jamaikanische Musik und tragen Dreadlocks, sprich: „kulturelle Aneignung“. Warum das so schlimm sein soll, erschließt sich mir einfach nicht. Aber selbst wenn ich einfach mal akzeptiere, dass sich diese Zuschauer wirklich sehr „unwohl fühlen“ (so mehrere Zeitungsberichte), wenn sie einen weißen Mann mit Dreadlocks Reggae spielen sehen und hören – dann finde ich keinen Zugang zu dem Argument: „Die müssen aufhören zu spielen.“ Immer und immer wieder drängt sich mir der Gedanke auf: Warum sind die nicht einfach gegangen? Von mir aus hätten sie auch demonstrativ laut raustrampeln und dabei „Buh! Rassisten!“ rufen können. Vieles ist denkbar. Aber den Abbruch des Konzertes erzwingen, gegen die Mehrheit der anderen Zuhörer???

Eine besondere Pointe erzählte der Band-Leader in einem Interview: Als der Veranstalter nach der Pause das Konzert abbrach, war das Publikum empört. Die Band hat dann noch drei Stunden lang mit den Leuten diskutiert. Aber die Kritiker, die das Ganze erzwungen haben, haben sich dabei nicht zu erkennen gegeben! Wenn das „woke“ ist, will ich es nicht sein.

 

Bildangabe: @Getty Images / EyeEm / Ryan Morris

1 Comments

  1. Ernst sagt:

    Das ist erst der Anfang. Das wird noch viel schlimmer werden.

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