Ich bin wütend und traurig und ratlos. So sehr, dass ich am liebsten aus der Kirche austreten würde. Das jetzt im einzelnen zu erläutern, ist schwierig. Es geht dabei um mangelnde Empathie, Rücksichtslosigkeit, Verlogenheit und Machtmissbrauch. Das alles ist so sehr gegen die Botschaft, die Jesus uns gebracht hat. An Weihnachten singen wir vom Frieden auf Erden den Menschen guten Willens. Und was, wenn dieser Wille fehlt? Mitten in der Kirche?
Nun kann ich natürlich nicht so einfach aus der Kirche austreten. Ich bin Mitglied einer katholischen Ordensgemeinschaft. Wenn ich die Kirche verließe, wäre ich automatisch auch meine Familie, mein Zuhause und meinen Job los. Das ist immer mein erster Gedanke, wenn ich ins „Kirchenloch“ falle: Vergiss es, ein Austritt ist total unrealistisch, weil dein bisheriges Leben mit einem Schlag zuende wäre.
Der zweite Gedanke kommt dann aber sehr schnell hinterher: Eigentlich will ich das ja auch gar nicht wirklich. Ich will ja nicht raus, sondern ich will, dass sich diese Kirche endlich zu ihren Werten bekehrt! Ich bin ja nicht wegen dieser Männer in der Kirche (meistens sind es Männer, die mich verzweifeln lassen), sondern wegen des einen Mannes, der vor 2.000 Jahren gesagt hat, dass Gott uns liebt und dass wir einander lieben sollen. Ich bin in der Kirche wegen all der vielen Männer, Frauen und Kinder, die von diesem Mann begeistert sind und versuchen, seine Botschaft zu leben.
DAS ist für mich Kirche: wenn Menschen einander helfen und großzügig sind, einfach weil sie Jesus glauben, dass selbst Kleinigkeiten die Welt etwas besser machen. Wenn Menschen sich selber nicht so wichtig nehmen und wenn sie verzeihen können, weil sie Jesus glauben, dass unser Zusammenleben so besser gelingt. Wenn wir Jesus diese Dinge glauben und sie leben, dann werden wir sie auch erfahren. Sogar Wunder kann man so erleben. Und aus dieser Kirche kann und will ich nicht austreten!
Sie ist die Gemeinschaft der Gläubigen. Ich brauche sie für meinen Glauben, auch für meine Gottesbeziehung. Natürlich bete ich auch alleine und komme Gott im „stillen Kämmerlein“ normalerweise sogar näher als im großen Gottesdienst. Trotzdem: Jesus hat uns nicht in erster Linie eine Meditationsanleitung gegeben, „In drei Schritten zur Verzückung“ oder so, sondern Hinweise, wie wir in Gottes Namen miteinander leben sollen. Ich gebe nicht auf: ich glaube, dass diese Botschaft Jesu stärker ist und länger leben wird als die Männer mit den komischen Kragen und Käppis.
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Nur sachlich und kritisch haben wir Erfolg und Überzeugungskraft. Gott sei Dank: Es sind viele hunderttausende liebevolle und zuverlässige Amtsschwestern und -brüder, Diakone, Katechetinnen, Brüder und Schwestern im Herrn, die täglich einen aufopferungsvollen Dienst am Menschen verrichten, die im Auftrag Christi Botschafter des Christentums in der ganzen Welt sind. Es stellt sich allerdings die Frage, wie bekehren wir die „Männer, die uns (nach Ihren Worten und Erfahrungen) verzweifeln lassen“? Da sind noch sehr dicke Bretter zu bohren! Amtsmissbrauch, Misshandlungen in Heimen, Sexuelle Vergehen besonders an Minderjährigen usw….Aussitzen, Lügen, Ignorieren