Tradition
20. Oktober 2015
Wort zum Sonntag
25. Oktober 2015

Neulich bin ich auf Facebook über ein Bild gestolpert, das mehrere Reihen verkohlter menschlicher Leichen zeigt, offenbar Afrikaner. Aus der Überschrift ging hervor, es sei ein muslimischer Terroranschlag auf Christen gewesen mit über 500 Opfern.

Ich kannte das Bild von früher. Vor ein oder zwei Jahren wurde es häufig geteilt, damals war noch von 375 Toten die Rede, und damals wurde es auch als Fake entlarvt. Die bedauernswerten Toten waren zwar aus Nigeria, doch hatte nicht die muslimische Terrorgruppe Boko Haram ihren Tod verschuldet. Es war vielmehr ein Unfall gewesen, die Explosion eines Tankwagens.

Ich habe die Autorin des posts darauf hingewiesen, dass sie auf eine Fälschung hereingefallen war. Ihre Reaktion bestand nicht etwa darin, das Bild so schnell wie möglich zu löschen. Stattdessen erschienen darunter immer mehr Kommentare, die sich gegenseitig bestätigten, was der Islam für eine furchtbare Religion sei.

Nun berichte ich selber öfter mal über Christenverfolgungen, denn die Christen sind die weltweit am stärksten verfolgte Religionsgemeinschaft, und viele Menschen wissen das nicht oder wollen es nicht glauben. Christen werden in vielen islamischen Ländern unterdrückt und verfolgt, aber auch atheistische Diktaturen können äußerst brutal in ihrer Religionsverfolgung  sein, allen voran Nordkorea. Sogar unter Hindus und Buddhisten (!) gibt es Fanatiker, die Andersgläubige verfolgen, aber das sind eher Ausnahmen. Wenn ich darüber berichte, liegt mein Fokus auf den Opfern. Sie brauchen unseren Beistand, auch wenn wir vielleicht nur beten können. Aber wenigstens das sollten wir tun. Verfolgte Christen bitten immer wieder um unser Gebet, auch damit sie die Kraft bekommen, ihren Peinigern verzeihen zu können, so wie Jesus es uns empfiehlt.

Andere schauen mehr auf die Täter. Das ist nicht schwer und es liegt nahe. Aber es erzeugt andere Gefühle als das Mitleid und die Hilflosigkeit, die man empfindet, wenn man versucht, bei den Opfern zu bleiben. Vielleicht möchten deshalb so viele lieber auf die Verfolger schauen, sich empören, schimpfen, wüten…

Es geht mir hier nicht um die Frage, welches Verhalten sinnvoller ist oder was Jesus täte oder so. Mir geht es um das Bild von den toten Nigerianern. Es war eine Fälschung, aber es wurde trotzdem weiter benutzt, weil die „Kernbotschaft“ schließlich klar sei: „Islam ist kein Friede“. Außerdem – so schrieb ein Diskussionsteilnehmer – machen die anderen ja auch jede Menge Propaganda (und zwar offenbar so viel, dass er dafür gar nicht erst Quellen angab) und es gibt ja auch jede Menge Beweise in Form von Bildern und Videos, die dann in der Folge gepostet wurden. Ich habe sie mir nicht angesehen. Ich brauche keine Verbrennungen und Enthauptungen zu sehen, um zu wissen, bie barbarisch die Fanatiker und Terroristen des IS vorgehen.

Die ursprüngliche Frage bleibt davon unberührt: Darf ich lügen, weil ich ja sowieso im Recht bin? Darf ich (um den biblischen Ausdruck zu benutzen) falsches Zeugnis gegen meinen Nächsten ablegen, weil ich eh schon weiß (oder jedenfalls fest überzeugt bin), dass der ein Schweinehund ist?

Ich fürchte, wenn wir diese Fragen mit „ja“ beantworten, werden wir in kürzester Zeit unglaubwürdig. Und ich kann mir beim besten Willen nicht vorstellen, dass das in den zehn Geboten so gemeint war.

Kommentar verfassen