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Cem Özdemir von den Grünen macht auf Facebook Wahlwerbung gegen Erdogans Referendum. Zweisprachig: deutsch und türkisch. Der Clip ist (natürlich) professionell gemacht und handelt von Demokratie, Menschenrechten und Bespitzelungen in deutschen Moscheen. Ich finde es klasse, dass ein Politiker die Deutschtürken so anspricht, wie es wohl nur wenige sonst tun könnten – auch wenn ich in manchem nicht seine Meinung teile.

Im Moment sind 1,4 Mio von ihnen aufgerufen zu wählen. Das ist schon eine ziemlich spannende Sache, denn das dürfte es nicht so häufig geben: ein Staat hat laut seiner Verfassung keine Möglichkeit der Briefwahl, gleichzeitig aber so viele Einwohner im Ausland, dass sich die Anfrage an ein spezielles Land lohnt, ob man dort Wahlkabinen aufstellen dürfe.

Ich bin immer froh, wenn sich Menschen für die Belange ihres Landes interessieren und wenn sie sich politisch engagieren. Das braucht eine Demokratie! Insofern kann ich auch gut verstehen, wenn jemand wählen möchte, obwohl er nicht in seiner Heimat lebt.

Ich habe selber einige Jahre im Ausland gelebt und war damals dankbar, dass es die Möglichkeit der Briefwahl gab. Selbst wenn ich gedurft hätte, hätte ich in meiner Übergangsheimat Riga nicht wählen mögen: Ich wusste doch, dass ich nach wenigen Jahren nach Deutschland zurückkehren würde. Was sollte ich in Lettland Weichen für die Zukunft stellen, wenn ich den Weg dann gar nicht mitgehen konnte und musste? Umgekehrt lag mir das Schicksal und die Entwicklung meiner deutschen Heimat immer am Herzen, 1.000 km Entfernung ändern daran gar nichts. Natürlich habe ich die deutschen Nachrichten verfolgt, und natürlich wollte ich an der Bundestagswahl teilnehmen – keine Frage! Daher kann ich schon verstehen, was jetzt unsere türkischen Mitbürger an die Urnen treibt. Einerseits.

Andererseits gibt es eben diesen fundamentalen Unterschied: ich wusste, dass ich nach wenigen Jahren wieder nach Deutschland zurückkehren würde. Die Deutschtürken, um die es mir hier geht, wissen, dass sie in ihrem Leben vermutlich nie in die Türkei zurückkehren werden – viele haben auch noch nie dort gelebt. Trotzdem haben sie die doppelte Staatsbürgerschaft: sie wählen für die Türkei (mehrheitlich AKP, also konservativ) und in Deutschland (mehrheitlich SPD und Grüne).

Darüber kann und will ich nicht urteilen, die Frage der Staatsangehörigkeit ist vielleicht manchmal auch eine eher emotionale Entscheidung. Nur verstehe ich nicht, warum sie über die Politik in einem Land mitbestimmen wollen, in dem sie gar nicht leben. Es heißt, dass die Deutschtürken die Wahl entscheidend beeinflussen könnten, weil es eher knapp zu werden scheint. Ist es fair, wenn die einen die Suppe einbrocken und die anderen sie auslöffeln?

 

Bild: S.Hofschlaeger@pixelio.de

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