23. Tag: auf Verdacht
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25. Tag: Gott ganz unten
3. April 2019

Die biblischen Erzählungen sind ja immer dann besonders eindrucksvoll, wenn sie eigene Erfahrungen treffen. Das ist nicht immer so einfach, weil sie sich in der für uns so fremden Welt des alten Israel abspielen. Aber die heutige Stelle aus dem Johannesevangelium ist genau so: sie trifft mich tief.

Jesus kommt in der Nähe von Jerusalem zum Teich Betesda. An dessen Ufer liegen viele Kranke, denn das Wasser des Teiches ist wundertätig: hin und wieder gerät es in Bewegung, und wer dann als erster ins Wasser kommt, der wird geheilt. Eine merkwürdige Szenerie, aber darum geht es nicht. Jesus spricht einen von den vielen Kranken an, weil er schon besonders lange krank ist, 38 Jahre. Und er stellt die übliche Frage:

Willst du gesund werden?
Der Kranke antwortete ihm:
Herr, ich habe keinen Menschen,
der mich, sobald das Wasser aufwallt, in den Teich trägt.
Während ich mich hinschleppe,
steigt schon ein anderer vor mir hinein.
Joh 5, 6 f.

Über diese Stelle bin ich immer schon gestolpert. Ich habe mich über diese Antwort gewundert und geärgert, ich war richtig wütend auf den blöden Kerl, der die Chance seines Lebens vor sich hat und sie nicht erkennt. Er lässt sie verstreichen, weil er so daran gewöhnt ist zu jammern und sich selber zu bemitleiden, dass er gar nicht merkt, dass die Lösung aller Probleme vor ihm steht!

Irgendwann wurde mir dann klar, dass das die eigentliche Krankheit dieses Mannes ist. Ja, er kann nicht laufen. Aber viel schlimmer ist seine Hoffnungslosigkeit, seine Unfähigkeit, das Gute auch nur in Betracht zu ziehen. Heute würde man vielleicht eine Depression diagnostizieren.

Als ich das einmal verstanden hatte, dass man sich bei Depressionen nicht einfach „zusammenreißen“ kann, dass sie eine Krankheit und keine Anstellerei sind, da ist mir die Heilung von Betesda sehr lieb geworden. Denn Jesus heilt den Mann auch ohne dass er darum bittet. Sonst braucht es den Glauben der Menschen, ihr Vertrauen, sie müssen selber einen Schritt auf Jesus zu tun. Hier nicht.

Jesus geht auf den Mann zu. Er spricht den Kranken an. Und als der nicht um Heilung bitten kann, heilt Jesus ihn trotzdem. Er ist stärker als unsere Lähmung – auch wenn sie aus Traurigkeit und Verzweiflung geschieht.

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