Schweige nicht!
27. September 2020
Nachfolge
24. Oktober 2020

Neulich habe ich eine Messe im livestream mitgefeiert. Also, eigentlich war es keine Messe, auch wenn sie so angekündigt wurde („Beatmesse“), sondern ein ökumenischer Gottesdienst. So richtig live war es auch nicht, sondern zwei Stunden versetzt, und deswegen konnte ich vorspulen, was ich auch hin und wieder getan habe – aber nur, wenn es langweilig wurde!

Ich will daher also doch besser nicht behaupten, ich hätte eine Messe live mitgefeiert. Ich habe ein Video eines ökumenischen Gottesdienstes angeschaut – das fand ich schön und teilweise sogar bewegend, und die Musik war toll!

Gerade zwei Wochen vorher hatte ich mit meinen Kollegen diskutiert, ob man einen live übertragenen Gottesdienst im Netz stehen lassen soll oder nicht. Sie hatten zu Beginn der Corona-Krise regelmäßig Eucharistiefeiern gestreamt, zuerst ohne Volk, später dann, als es wieder ging, hatten sie auch die normale Gemeindemesse ins Netz gestellt. Viele haben das so gemacht, und es war ja auch eine gute Lösung in einer schwierigen Situation. Aber jetzt? Wie geht es weiter?

Ich war der Meinung gewesen, die Messe könne man nur live, also wirklich live, übertragen. Diese Diskussion ist ja nicht neu, denn Gottesdienstübertragungen gibt es seit vielen Jahrzehnten, z.B. seit 1986 regelmäßig im ZDF. Theologen streiten sich also schon lange darüber, was von der Gemeinschaft und den Sakramenten übrig bleibt, wenn man eine Feier am Bildschirm verfolgt ohne ihr persönlich beizuwohnen. Und ein Kriterium bei Radio- und Fernsehübertragungen war früher: solange es live ist, „gilt“ der Segen, der Zuschauer feiert wirklich mit, es entsteht eine echte communio.

Das Internet verändert die Sehgewohnheiten. Heute ist es völlig normal, dass auch der livestream einer beliebigen Sendung noch zwei Stunden später angeschaut werden kann. Und sogar das ZDF bietet seine Messen inzwischen dauerhaft in der Mediathek an. Vielleicht sollte ich allmählich umdenken? Immerhin: bei Gott ist nicht Raum noch Zeit!

Bei meiner ökumenischen „Beatmesse“ war ich jedenfalls froh, dass ich zwei Stunden später noch einschalten konnte. Allerdings hat mich der zeitliche Abstand auch zu einem inneren Abstand verführt: wenn einer der Protagonisten zu langatmig redete, habe ich einfach vorgespult. Zugegeben: ich hatte gerade vorher ja eine normale „richtige“ Messe gefeiert. Wenn die Übertragung meine einzige Möglichkeit zu einem Sonntagsgottesdienst gewesen wäre, hätte ich sie sicherlich ernster genommen.

Dann kam das Abendmahl. Der Moment, wo ich mich besonders frage, was hier eigentlich auf die zeitliche und räumliche Distanz passiert. Für den evangelischen Pastor war das ganz klar: er lud die Zuschauer ein, zu Hause Brot und Wein bereit zu stellen und so mitzufeiern. Er blendete ein Bild ein von einer Familie, die fotografiert hatte, wie das bei ihnen aussah und sagte: „Wenn es bei Ihnen noch nicht so aussieht, dann haben Sie jetzt noch etwas Zeit, alles vorzubereiten…“

Eigentlich schön. Aber eben auch evangelisch. Bei uns Katholen ist das selbstverständlich anders. – Oder doch nicht so selbstverständlich, denn Essens Bischof Overbeck musste ja gerade am 23.September in einer Pressekonferenz klarstellen, dass für die Wandlungsworte nicht die gleiche mediale Übertragbarkeit gilt wie für den normalen Segen (die Frage kam von Public Forum, s. Minute 59:50). Es komme auf die Intention des Priesters an und darauf, was auf dem Altar steht – und drum herum. Ob das die Menschen wohl verstehen? Wenn ich Kinder und ihre Eltern auf die Erstkommunion vorbereite, habe ich oft den Eindruck, dass hier auch die Erwachsenen Neuland betreten. Den Unterschied zwischen ökumenischer Beatmesse und katholischer Messe würden sicher nicht alle auf Anhieb erklären können. Ich freue mich über jeden, der einen Gottesdienst mitfeiert, in der Kirche oder am Bildschirm. Aber wenn eine Familie wirklich zu Hause mitfeiert und dazu Brot und Wein/Saft auf den Tisch stellt – dann kann ich mir nicht vorstellen, dass sich noch irgendjemand Gedanken über die theologische Tiefe des Ganzen macht.

Soviel steht fest: Die Messe im livestream verändert unsere Gottesdienstgewohnheiten. Vielleicht verändert sie auch unsere Sicht auf das Sakrament. Und? Ist das schlimm?

2 Comments

  1. Krin Schulta sagt:

    Liebe Schwester Barbara, wir haben die Osternacht aus unserer Abtei virtuell übertragen. Ich habe selten eine innigere Osternacht erlebt. Wir waren uns der Teilnahme der Mitfeiernden am Bildschirm sehr bewußt, die uns das ebenfalls sehr bewegt bestätigt haben. “Heiliger Boden“ und Gemeinschaft kann überall sein, wenn man denn wirklich Gemeinschaft sucht. Eucharistie ist doch nicht nur das Aufnehmen des Brotes.

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