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Normalerweise mag ich das Gendersternchen nicht, also wirklich gar nicht, aber heute muss es sein. Heute setze ich es aus Respekt vor den 125 Katholik*innen, die sich Anfang der Woche als „queer“ geoutet haben, Sie konnten es in den Medien verfolgen. Wer die ARD-Dokumentation „Wie Gott uns schuf“ gesehen hat, wird erschüttert sein über die Schicksale der Betroffenen. (Wer sie verpasst hat: unbedingt in die Mediathek gehen und anschauen!)

Dabei geht es auch ums Arbeitsrecht – aber viel mehr noch um uns alle. Denn die Kirche ist eben nicht nur Arbeitgeber, sonst würden die Betroffenen ja nicht gegen all die Widerstände darin bleiben wollen. Die Kirche ist zuerst und vor allem die Gemeinschaft der Gläubigen, die sich versammelt, um einander im Glauben und in der Nachfolge Jesu zu bestärken. Und da kommt es dann plötzlich auf jede*n von uns an, denn ich bin sicher: wir alle kennen queere Katholik*innen. Oft weiß man es nur nicht, weil sie es nicht wagen, offen darüber zu sprechen. Ich kenne inzwischen eine ganze Reihe, oft hochengagierte Mitarbeiter*innen oder ehrenamtlich engagiert. Wie begegnen wir ihnen? Wie sprechen wir über sie?

Der Anteil der schwulen Priester wird auf 20-50 % geschätzt. Anfangs kam mir das übertrieben vor. Aber nach 20 Ordensjahren kann ich sagen: ich habe wirklich sehr viele Priester kennengelernt und schließe mich dieser Schätzung an. Warum tabuisieren wir das und bringen diese Männer mit unserer Heuchelei in zusätzliche Nöte?

Mir scheint, wir stecken immer noch in einem Verhaltensmuster, das schon im Evangelium dieses Sonntags (Lk 4, 21-30) beschrieben wird: Jesus kommt in seine Heimatstadt, und die Menschen glauben, ihn genau zu kennen. Als er anders ist, ihren Erwartungen nicht entspricht, denken sie nicht etwa um, sondern sie reagieren wütend und treiben ihn zur Stadt hinaus.

Auch heute gibt es Katholik*innen, die die katholische Lehre genau kennen. Wenn ihnen jemand erzählt, dass Gott auch anders sein könnte, dass man die Bibel auch anders lesen könnte, dass man kirchliche Gesetze ändern kann, reagieren sie oft wütend und aggressiv.

Wohin führt das? Im Evangelium schreitet Jesus durch die wütende Menge und verlässt die Stadt. Er geht los und beruft die ersten Jünger. Dieser Konflikt ist nur der Anfang für etwas Neues, der Bruch mit den Traditionalisten wird zum Aufbruch in die Zukunft.

Und heute?

#outinchurch

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