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Ich hab Lust, mal wieder ins Kino zu gehen: vielleicht in den neuen Winnetou… Der soll so schön voller Klischees sein, harmlos, unrealistisch – wie man das halt gerne hat bei einem Western. Oder hat irgendjemand jemals geglaubt, diese Filme seien realistisch? Mir jedenfalls ist schon als Kind aufgefallen, dass der böse Cowboy immer schwarz angezogen war und der gute hell. Ich denke, dass ich analog auch die Darstellung der Apachen nicht mit einer Dokumentation verwechselt habe. Diese Filme waren zum Träumen: von Weite, Stärke, Mut und Blutsbrüdern. Ja, klar sind das Klischees!

Es gibt Menschen, die mögen keine Klischees. Die finden Verharmlosung gar nicht harmlos. Deshalb meinen sie, auch Kindern dürfe man keine Märchen erzählen, man müsse sie mit der Realität konfrontieren. Da ist natürlich was dran.

Ich finde nur, dass ein Kind sich viel eher über die Verbrechen der Europäer auf dem amerikanischen Kontinent empören wird, wenn es vorher eine Idee davon bekommen hat, an wem diese Verbrechen geschehen sind. Dass da Menschen gelitten haben, Menschen mit Gefühlen, Menschen wie du und ich, Menschen wie Winnetou und seine Schwester Nscho-tschi. Und ich glaube, der Schrecken über die Zerstörung einer Kultur wird erst dann wirklich möglich, wenn man eine Vorstellung davon hat, wie diese Kultur ausgesehen hat. Deshalb ist es doch toll, wenn Kinder fasziniert von Indianern sind, begeistert von einer fremden Kultur!

Jetzt werden indigene Menschen natürlich sagen: „Ja, aber so wie bei Karl May war und ist unsere Kultur eben nicht!“ Und damit wären wir wieder bei den Klischees.

Als Ordensfrau bin ich es gewöhnt, Menschen zu begegnen, die noch nie eine Ordensfrau getroffen haben, die aber genau zu wissen meinen, wie wir sind und wie wir leben. Sie haben meist irgendwelche Filme gesehen, in denen Nonnen, Mönche und Priester sehr merkwürdige Figuren abgeben. Wenn ich mit diesen Menschen ins Gespräch komme, müssen wir erst Missverständnisse aus dem Weg räumen. Das ist manchmal ein bisschen nervig, aber ich finde es auch lustig, was für abstruse Vorstellungen die Leute haben. Jedenfalls ist es lustig, solange die Menschen noch mit mir reden wollen und ernsthaft interessiert sind, wer ich wirklich bin. In dem Moment, wo sich ein junger Mann im Karneval als Nonne verkleidet und angeschickert durch die Gegend torkelt, ist von Interesse für eine andere Lebensweise nicht mehr viel zu spüren. (Alles schon erlebt.)

Und das ist für mich der Unterschied: Ich glaube, dass so ziemlich alle Ethnien, Religionen und Berufe in Filmen und Büchern schon diffamiert und lächerlich gemacht worden sind. In diesen Fällen wirken Klischees zerstörerisch, und wir sollten versuchen, ihre Verbreitung zu verhindern. Wenn ein Buch oder Film aber ein positives Bild zeichnet, Faszination und vielleicht sogar Bewunderung weckt, dann müssen die Klischees sicher irgendwann korrigiert und differenziert werden. Aber zunächst ebnen sie einmal einen Weg und Zugang, den eine rein sachliche Analyse nicht schafft.

Oder anders gesagt: Wenn eure Kinder Indianer spielen, dann fragt sie, zu welchem Volk sie gehören (Winnetou war Mescalero-Apache). Und wenn sie irgendwann fragen, ob es heute noch Apachen gibt, dann könnt ihr ja erzählen.

 

Bild: Henning Hraban Ramm@pixelio.de

 

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