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Geldsorgen wegen Coffee-to-go?

Heute Morgen wurde im Radio eine Studentin nach ihren Geldsorgen befragt. Alles wird teurer, und der Staat schafft nur teilweise einen Ausgleich. Manche Bevölkerungsgruppen sind davon bekanntermaßen stärker betroffen als andere. Diese junge Frau lebt zusammen mit ihrer Mutter (Geringverdienerin) und bekommt BaFöG.

Sie erzählte, dass es kompliziert sei, das Geld zu beantragen und dass auch bewilligtes Geld oft erst viel später fließe. Bei beidem kann ich den Ärger nachvollziehen. Naja, eine Studentin sollte den Kampf mit der Bürokratie aufnehmen können, aber wenn Unterstützung zugesagt ist und sie dann doch monatelang nichts bekommt, dann kann das natürlich wirklich Nöte und Geldsorgen verursachen.

Zu den Summen kann ich nichts sagen. Mein Studium ist 30 Jahre her, DM-Zeiten, das kann man nicht vergleichen. Ich weiß, dass es immer schwierig war, ein preiswertes Zimmer zu bekommen und dass Bücher immer schon teuer waren, wenn man etwas selber kaufen musste und nicht ausleihen konnte. Die junge Frau rechnete vor, was sie an BaFöG bekam und was sie davon bezahlen musste: Miete, Nebenkosten, Krankenkasse, Studiengebühren, Bücher. Was ihr „zum leben“ übrigblieb, das klang schon knapp. Allerdings ist halt immer die Frage, was zu diesem Leben dazugehört.

Wie zeigen sich die Nöte konkret?

Deshalb fragte die Moderatorin, woran die Studentin denn jetzt ganz konkret die verschärfte Situation bemerke. Und da sagt sie, sie würde jetzt schon zweimal überlegen, ob sie sich morgens auf dem Weg zur Uni einen Kaffee kauft, und heute habe sie sich beim Bäcker nur ein kleines Hörnchen geholt.

Das erzählt sie im Radio, also scheint ihr nicht bewusst zu sein, wie es auf Menschen mit echten Geldsorgen wirken muss. Diese Frau wird vom Staat (d.h. vom Steuerzahler) subventioniert, aber sie findet es völlig normal, offenbar regelmäßig außer Haus Kaffee zu trinken und beim Bäcker einzukaufen. Tut mir leid: da muss ich aufpassen, dass ich nicht allzu zynisch werde!

Sie brauche den Kaffee, um wach zu werden. Ja, okay. Wenn die Mutter Geringverdienerin ist – hat sie ihrem Kind nie beigebracht, dass man Kaffee auch zuhause kochen und in der Thermoskanne mitnehmen kann? Das ist vielleicht nicht hip, aber preiswerter und außerdem auch besser für die Umwelt. Meine Generation wusste das übrigens schon lange bevor Greta Thunberg auch nur ahnte, was Klima, Kaffee oder „to go“ bedeutet.

Ein Hörnchen vom Bäcker? War für mich auch vor meinem Eintritt in den Orden schon Luxus. Normalerweise haben wir Brot aus dem Supermarkt gegessen. Alles andere nur ausnahmsweise, wenn wir uns was gönnen wollten. Natürlich haben wir uns manchmal was gegönnt, aber als Studenten konnten wir das eben nicht so oft. Nicht wegen Staatskrise, sondern weil wir Studenten waren. Normal eben, wenn man noch kein Geld verdient! Wenn sie gesagt hätte: „Das Brot ist so teuer geworden!“ Das stimmt ja leider auch. (Und das ist wirklich ein Problem über das sich eine Reportage gelohnt hätte!) Aber so klingt es bisschen nach Marie Antoinette: „Sollen sie doch Kuchen essen.“

Die Moderatorin hat all das unwidersprochen hingenommen, obwohl sie ihre Gesprächspartner sonst ganz gut in die Mangel nehmen kann. Also scheint sie ebenfalls eine nationale Katastrophe zu wittern, wenn unsere Studenten nicht mehr täglich ihren persönlichen Barrista aufsuchen können. Bitte verzeiht, wenn ich mich dieser Sorge nicht anschließe.

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