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5. Dezember 2023

Der Dominikanerorden hat eine ganze Reihe von Heiligen hervorgebraucht. Albert der Große ist einer der wichtigeren – ein Universalgelehrter der Extraklasse. Man nennt ihn auch Albert von Regensburg oder Theutonicus (der Deutsche), aber am bekanntesten ist er schlicht als Albertus Magnus. Er ist auf überraschende Weise aktuell – dieser mittelalterliche Mönch.

Albert ist um das Jahr 1200 herum in Bayern geboren und am 15. November 1280 in Köln gestorben, deshalb ist heute sein Gedenktag. 1223 ist er in den Dominikanerorden eingetreten. Das kann nicht leicht gewesen sein: Sohn einer wohlhabenden Familie, und dann geht er in einen noch ganz neuen Bettelorden. Offenbar war Albert mutig – und neugierig, offen und interessiert.

Das ist zu seinem besonderen Merkmal geworden: er hat nicht nur Theologie studiert, sondern auch Philosophie, die freien Künste, Medizin, Biologie, Chemie, Physik, Astronomie und Geografie. Aus der Ordensschule, die er in Köln gegründet hat, entwickelte sich später die heutige Kölner Universität. Mich persönlich beeindruckt, dass er sich für die Naturwissenschaften und für die Philosophie des Aristoteles interessiert und sie studiert hat, in einer Zeit, als das in der katholischen Kirche durchaus umstritten war. Er hat aber auch nicht alles begeistert übernommen, sondern sorgfältig geprüft, was mit seiner Theologie vereinbar war, sie vielleicht sogar unterstützen und weiterentwickeln konnte. Und das in einer Zeit, als Aristoteles in Europa fast vergessen war! In der arabischen Kultur hatte seine Philosophie überlebt, von dort kam sie nach Europa zurück – was sie in den Augen mancher Kirchenleute noch suspekter machte. Albert der Große kannte solche Vorurteile nicht. Er sah sich die Sache lieber genauer an.

So auch mit den Naturwissenschaften. Es gibt eine Legende, Albert habe einen technischen Apparat gebaut, der weit über die Vorstellungen des Mittelalters hinausging. Das war seinen Mitbrüdern so ungeheuer, dass sie ihn zerstörten. Der Wahrheitsgehalt dieser Legende lässt sich nicht prüfen, aber die Grundaussage trifft sicherlich zu: Albert war mit seinem Denken seinen Mitmenschen weit voraus. Und vielen Menschen machen neue Gedanken und die Freiheit des Geistes Angst – gerade in der Kirche.

Das ist es, was ihn meiner Meinung nach heute noch so aktuell macht: immer noch kämpfen wir in unserer Kirche darum, die Wissenschaft und den Glauben zu versöhnen. Eigentlich hatte das Zweite Vatikanum die Frage geklärt, aber die neue Theologie und Lehre ist auch nach 60 Jahren noch längst nicht bei allen angekommen. Und immer noch – vielleicht mehr denn je – kämpft unsere Gesellschaft mit der Dummheit! Menschen lieben ihre Vorurteile und einfache, verkürzte Aussagen. Sie finden es anstrengend zu differenzieren. Da sind wir heute nicht besser als die Theologen im Mittelalter! Und so, wie Alberts Mitbrüder seinen Apparat zerstörten, so werden heute (wieder) Bücher auf den Index gesetzt oder buchstäblich verbrannt. Menschen haben Angst, dass ihre Kinder sich mit Themen wie Homosexualität oder Rassismus auseinandersetzen könnten und zensieren alles einschlägige Material (in den USA muss das schon ziemlich weit fortgeschritten sein, aber wir sind auch auf dem Weg dahin) – wie absurd!

Ich wünsche uns die neugierige Offenheit des großen Albertus, der in der Lage war, auf Neues zuzugehen. Er hatte einen klaren Standpunkt, ihm war nicht alles eins. Aber vor allem hat er unendlich viel gelesen und immer wieder weiter gelernt, ist nicht stehengeblieben bei dem, was er einmal wusste. Das täte uns allen gerade heute wirklich gut.

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