Seit ich erwachsen bin, hadere ich mit meiner Kirche.
Als junge Frau wollte ich austreten. Der Zölibat, die Männerkirche mit ihrer Machtpolitik, der unfehlbare Papst, all das schien mir so unglaubwürdig – wie sollte man in so einer Kirche seinen Glauben leben können? Die evangelische Kirche war für mich keine Alternative. Mein Vater ist evangelisch, daher hatte ich zu diesem „Verein“ eine ebenso kritische Haltung wie zu meinem eigenen. Äußerlich war da zwar manches anders, trotzdem wirkten sie auf mich genauso verstaubt wie wir. Eine Freundin war in einer evangelischen Freikirche, die lebten ihren Glauben überzeugend – aber teilweise auch ein bisschen fanatisch. Dann lernte ich die Altkatholiken kennen. Die waren mir sympathisch. Irgendwie fühlte es sich da nach Zuhause an, vertraut, gleichzeitig durften die Priester heiraten, und die Haltung zum Papst war kritischer – vielleicht wäre das ein Ausweg?
Ich habe mich dann dagegen entschieden, aus einem einzigen Grund: die Altkatholische Kirche ist klein. Zu klein um etwas verändern zu können. Und ich wollte etwas verändern, am liebsten die ganze Welt, mindestens aber die ganze römisch-katholische Kirche. Und das geht halt (so dachte ich damals, und so denke ich noch immer) nur von innen. Wer draußen steht, hat leicht meckern – aber wirklich ernst nahm ich die Kritik nur von denen, die zum Club gehörten. (Das würde ich heute ein bisschen differenzierter sehen, aber in etwa stimmt es schon.)
Also bin ich geblieben. Ich bin Religionslehrerin geworden und später sogar Ordensfrau. Dabei bin ich nicht in irgendeinen Orden eingetreten. Der Dominikanerorden wurde von einem Mann gegründet, der es sich zur Aufgabe gemacht hatte, die Lehre der Kirche treu zu verkünden – und der dabei doch immer wieder selber die Handlungen der Kirchenvertreter kritisiert hat. Glaubwürdig das Evangelium leben und verkünden, darum ging es dem Heiligen Dominikus. Um das zu tun, muss man sich auch schon mal mit einem Kirchenfürsten anlegen. Das hat mich als Ordenseinssteigerin sehr beeindruckt.
Ich erinnere mich an eine Begegnung mit Bischof Woelki (damals noch nicht Kardinal) beim Eucharistischen Kongress. Er hatte eine Predigt zur Eucharistie gehalten, und danach konnte man ihm Fragen stellen. Ich ließ mir das Mikro geben und habe ihn gefragt, warum wir uns so schwer tun, dieses kostbare Sakrament, diese „Arznei der Unsterblichkeit“ (so hatte er die Kommunion genannt) denen zu geben, die sie besonders nötig haben, wie etwa denen, in deren Leben etwas schief gegangen ist, z.B. eine Ehe. Ich erinnere mich noch genau, wie er anfing: „Schwester, Sie wissen, dass ich Ihnen darauf keine Antwort geben kann.“ Natürlich konnte er inhaltlich nichts Gescheites sagen, die Frage war damals gerade wieder mal besonders heiß in der Diskussion. Ich hatte auch nichts erwartet, aber ich fand, wir dürfen nicht aufhören, die Frage zu stellen. Das sind wir denen schuldig, die gerne zu unserer Kirche gehören möchte, denen es aber durch unser Kirchenrecht schwer gemacht wird.
Inzwischen bin ich beim Erzbistum Köln angestellt und nehme in der Kirche regelmäßig das Mikro zur Hand. Mein Pfarrer lässt mir dabei viel Freiheit. Gleichzeitig ist Kardinal Woelki ja nun mein Dienstgeber, und eine solche Provokation wie damals würde ich mir heute nicht mehr erlauben. Als jetzt Maria 2.0 auf dem Roncalliplatz eine Agape gefeiert hat, bin ich nicht hingegangen. Trotzdem höre ich nicht auf, zu fragen. Denn unsere Kirche ist in Bewegung, sogar das Erzbistum Köln. Bald schon werden sich die Pfarreien sehr verändern, gerade sind die Gemeinden über den aktuellen Stand informiert worden. Wir sollten Fragen dazu einreichen, die (wegen Corona) bei einem Live-Event im Internet beantwortet wurden. Die Gemeinden hatten ganz unterschiedliche Fragen, ich auch. Nicht alle konnten in der geplanten Zeit beantwortet werden, aber eine meiner Fragen kam dran. Meine Kollegen hatten vorab gesagt, das bringe nichts. Es war die Frage nach den Wortgottesdiensten am Sonntag: Was passiert, wenn eine Gemeinde, in der keine Eucharistiefeier mehr möglich ist, trotzdem so lebendig ist, dass sie sich am Sonntag zu einem Wortgottesdienst versammeln möchte – und das auch als identitätsstiftend erlebt? Wird dies dann als vollwertiger Godi anerkannt (vielleicht sogar mit Kommunionausteilung)?
Natürlich kam die erwartete Antwort: nein, geht gar nicht. Am Sonntag sollen alle in die Pfarrkirche zur Messe gehen. Andere Godi sollen an Werktagen gefeiert werden. Die Kollegen hatten Recht: es war keine andere Antwort zu erwarten gewesen. Aber sie hatten nicht Recht mit der Meinung, dass eine solche Frage sinnlos sei. Denn der Generalvikar fing seine Antwort an: „Diese Frage wird uns oft gestellt.“ Gut so. Wir werden sie weiter stellen. Solange, bis die Herren sie verstehen.
5 Comments
Liebe Schwester Barbara,
vermutlich werden Sie kaum mit dem übereinstimmen, was ich im Folgenden schreibe. Aber da auch Sie mit manchem nicht übereinstimmen, was Tradition, Lehre und Recht unserer Kirche betrifft, ist dies selbstverständlich kein Grund, eine Erwiderung zu unterlassen. Auch keine in dieser schärfe.
Beginnen möchte ich mit einer scheinbaren Kleinigkeit: Der Verwendung des Begriffs „Godi“ für Gottesdienst. Warum kürzen wir das ab. In Pfarrbriefen entdeckt immer wieder KiGodis und JuGodis, FamGodis und WoGodis. Geht es darum, das Ausschreiben des Begriffs Gott so weit als möglich zu vermeiden, um uns nicht daran erinnern zu müssen, dass Liturgie als Dienst am Volk nur eine Seite der Medaille ist? Dass eben der Gottesdienst auch ein Zusammenkunft zu seiner höheren Ehre ist. Oder hält die Abkürzungswut der Sozialisten mehr und mehr Einzug auch in unser Sprechen und Schreiben?
Sie wollen solange Fragen stellen, bis die Herren sie verstehen. Ich erlaube mir Ihnen zu widersprechen. In Wirklichkeit wollen Sie und die Ihren so lange die immer gleichen Fragen stellen, bis sie in Ihrem Sinn beantwortet werden. Nicht mehr und nicht weniger. Es ist nur das Suchen nach Menschen, die in ihren Reden Ihren Ohren schmeicheln sollen.
Gehen wir mal davon aus, wir wachen morgen früh auf und der Papst, alle Bischöfe, Priester und Ordensleute beschließen, ab übermorgen den Zölibat abzuschaffen, die Weihe der Frau zu Priestern zuzulassen, die „Ehe für alle“ auf die Spendung des Sakraments auszuweiten, eine gesetzliche Ehescheidung als Aufhebung des vor Gott geleisteten Eheversprechens anzuerkennen (automatische Annullierung), den Primat des Papstes durch eine permanent tagende Römische Synode zu ersetzen, die soziale Indikation als Abtreibungsgrund wie pro familia bedingungslos zu unterstützen, nicht Geweihte predigen und Wandeln zu lassen, nach Einführung der Interkommunion eine volle Gemeinschaft der beiden großen Kirchen in Deutschland zu bewirken und alles andere zu beschließen, was aktuell noch der vollen Verwirklichung der liberal-katholischen Kirche im Weg steht. Was wäre dann für Christus und seine Kirche gewonnen? Inwiefern würde sich der Status der Kirche in der Gesamtgesellschaft erhöhen? Wem gegenüber würden wir dann glaubwürdiger? Würden vielleicht gar die Menschen wieder zu uns strömen und massenweise in die Kirche eintreten? Und was unterschiede Glauben an Christi Wort, was katholische Moral- und Soziallehre dann noch von außerreligiöser Lebenswirklichkeit und individuellem Handeln nach dem eigenen „Gewissen“?
Wenn Ihnen und vielen anderen Reform-Bewegten der Laden nicht mehr gefällt, dann gehen Sie bitte. Seit über 50 Jahren wird die Kirche mit kleinen Reförmchen und öffentlich ausgetragenem Theologenstreit kaputtreformiert. Aus dem Inneren heraus.
Engel gibt es nicht, heißt es. Die Jungfrauengeburt ist nicht geschehen, die Herbergssuche eine Erfindung, ebenso der Stern von Bethlehem. Der Kindermord des Herodes hat nach Ansicht vieler Prediger nicht stattgefunden, die Flucht nach Ägypten geschah im Zug einer allgemeinen Migrationsbewegung, einen Zwölfjährigen hätte man im Tempel nicht predigend geduldet, 40 Tage in der Wüste kann Christus nicht gewandelt sein, der Teufel ist ihm dort auch nicht erschienen (den gibt es ja genau so wenig wie die Hölle. Wunder hat Christus nicht gewirkt heißt es. Denn er war ja kein Zauberer, der Wasser in Wein verwandeln konnte. Ebenso unmöglich war die Vermehrung von Broten und Fischen, für die eine natürliche Erklärung des miteinander Teilens geliefert wird. Blindenheilung und Heilung Gelähmter war bestenfalls ein psychotherapeutischer Erfolg. An die Auferstehung selbst gehen bisher nur Wenige heran. Die das tun sagen, es sei überhaupt nicht wichtig, ob Christus leiblich auferstanden ist. Es reiche vollauf, wenn er jeden Tag neu in unseren Herzen auferstehe und wir bei dieser Gelegenheit die Kirche auch jeden Tag neu denken. Ebenso nur als Bild bezeichnet wollen viele predigende Kleriker und schreibende Theologen das Pfingstereignis und die Himmelfahrt verstanden wissen. Und der jüngste Tag mit der Wiederkunft Christi? Lediglich eine mittelalterliche Vorstellung. Die Erde wird vergehen wie alle Körper des Universums, denn schließlich hat der Urknall alles erschaffen und nicht Gott.
Ganz in ehrlich, liebe Schwester Barbara: Eine Kirche die sich, wie viele Synodale auf dem Weg wünschen, sich immer mehr den moralischen Vorstellungen und gesamtgesellschaftlichen Verhaltensweisen anpasst und obendrein ein Bibel- und Christus-Verständnis hat, dass nicht einmal mehr den Wert der arianischen, pelagianischen, lutheranischen, hermesianischen oder altkatholischen Irrlehren hat, sondern nahezu alle Berichte der Hl. Schrift als Legenden und Märchen oder Bilder für anderes verstanden wissen will, braucht niemand.
Ihnen persönlich, vielen Synodalen, Maria 2.0, den Katholiken innerhalb „Wir sind Kirche“ und auch großen Teilen der kfd empfehle ich: Tretet aus, werdet evangelisch und glücklich. Lasst uns die römisch-katholische Kirche als die eine, heilige und apostolische, die sich an der Offenbarung orientiert. Geht mit Gott, aber geht! Zerstören und Unfrieden säen kann jeder. Dazu bedarf es nicht des Glaubens an Christus!
Lieber Herr van Laack, danke für Ihren Kommentar. Es ist mir klar, dass Sie Leute wie mich gerne los wären. Aber Sie sollten sich mit dem Gedanken anfreunden, dass es Menschen gibt, die gerne katholisch sind und nichts anderes sein wollen, auch wenn sie unter manchem in der Kirche leiden. Wenn Sie mir empfehlen, evangelisch und so glücklich zu werden, dann bitte ich Sie, den Text noch einmal mit mehr Aufmerksamkeit zu lesen. Ich will weder konvertieren, noch zerstören, noch Unfrieden säen. Nur verändern.
Wenn ich mich – ohne geschwisterliche Anrede – einmischen darf: Die Antwort von Herrn van Laack ist eine Rund-um-Ohrfeige für alle Reformbestrebungen. Da wissen Sie ganz klar, wo Sie sind. Sie hätten es wohl besser bei den Altkatholen versuchen sollen als bei den „domini canes“ – oder bekommen Sie dort Unterstützung?
Hallo Herr Schäfer! Ich fühle mich in der Dominikanischen Familie sehr gut aufgehoben. Danke der Nachfrage. Hier erlebe ich genau die Art der kritischen Loyalität, die ich gesucht habe.
+Ave Maria!Liebe Schwester Barbara, alle Ihre Fragen legen Sie bei Anbetung vor dem Herrn, wenn es er will wird Sie schon jemanden finden der das Antworten kann ,nur wenn er möchte und seine Wille ist.Möglich ist dass der sich selbst Ihnen gegenüber wendet und redet und zeigt, oder Mutter Gottes Maria oder ein Engel, sein Sie Gesegnet,alle Fragen möchten offt nicht beantworten werden aber nachdenklich uns machen lassen schon.Gottes Segen