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Das ist so eine Sache mit den Vorurteilen: Eigentlich haben ja immer nur die anderen welche, nicht wahr? Aber manchmal entdeckt man dann doch, dass man selber auch an einer Überzeugung festhält, die nicht wirklich den Tatsachen entspricht. Ich musste heute ein solches Vorurteil aufgeben – und das hat sogar richtig Spaß gemacht. Aber von vorne:

Die Pfarrgemeinde, in der ich seit dem 1. September arbeite, hat heute gemeinsam mit den beiden evangelischen Gemeinden ein ökumenisches Gemeindefest gefeiert. Thema war „Anno 1517“, und es drehte sich alles um das Lutherjubiläum – lag ja irgendwie auch nahe. Deshalb gab es nur Sachen zu essen, die schon Luther kannte, die Kinderspiele waren dementsprechend, ich bin ein paar Mal gefragt worden, ob ich echt sei, usw. Um es vorweg zu nehmen: es war richtig schön und rundum gelungen!

Aber jetzt zu dem Vorurteil: Ich halte ja viel von Ökumene, bin da familiär geprägt und habe auch immer wieder gute Erfahrungen gemacht. Nur… wie soll ich sagen… sie sind ja schon anders als wir, nicht wahr? Die Evangelen… pardon: Protestanten, die ich im Laufe der Jahre so kennengelernt habe, waren häufig sehr nett, oft auch sehr fromm. Aber je frommer sie waren, desto ernsthafter schienen sie mir auch. Und deshalb war ich schon ziemlich erstaunt und begeistert, als ich in der Vorbereitung hörte, dass es einen „Hau den Luther“ geben würde, also einen umdekorierten „Lukas“. Ganz ehrlich: so viel Selbstironie hätte ich den Evangelen nicht zugetraut! Lachen über Luther? Geht das? Es geht!

Das Gerät ist dann auch intensiv genutzt worden. Der katholische Pfarrer kam völlig problemlos bis zum Anschlag, haute also den Luther, und prompt wurde gewitzelt, da kämen wohl antiökumenische Energien heraus. Meine Mitschwester und ich kamen gerade mal auf „es ist wohl eine Essenspause fällig“. Was sogar stimmte.

Kurzum: wir hatten eine Menge Spaß! Und das nach einem Gottesdienst, in dem das Verbindende so deutlich wurde, wie ich es selten erlebt habe. Inhaltlich ging es um Luthers Entdeckung der Erlösung allein aus Gnade. Der Mensch muss und kann sich seine Erlösung nicht durch Bußübungen o.ä. erkaufen. Gott liebt und erlöst uns einfach so. Das war vor 500 Jahren revolutionär und ein Skandal – heute ist es uns genauso vertraut wie unseren evangelischen Geschwistern. Und als wir das Glaubensbekenntnis gebetet haben, war das schon sehr eindrücklich: bis auf ein Wort ist es das gleiche Credo. Alle konnten mitbeten, beim Vaterunser ja sowieso.

Gemeinsam beten, feiern und sogar miteinander über sich selber lachen – das ist für mich versöhnte Verschiedenheit.

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