Neulich bin ich von Schülern eines katholischen Gymnasiums bzgl. meines Ordenslebens gefragt worden:
Bei dem Treffen selber bin ich nicht mehr zu einer Antwort gekommen. Und wenn ich jetzt im Nachhinein darüber nachdenke, fällt mir als Erstes das Beispiel einer Mitschwester ein, ich nenn sie mal Maria.
Maria ist vor einiger Zeit in einen anderen Konvent versetzt worden. Das war auch okay für sie, obwohl sie schon stolze 77 Lenze zählt. Im Orden haben wir Gehorsam gelobt, und fügen uns in die größere Gemeinschaft ein. Wenn es nötig ist, lassen wir uns zu ihrem Wohl auch versetzen. Allerdings war es mit der friedlichen Akzeptanz ganz schnell vorbei, als Maria hörte, dass es in diesem Haus Probleme mit dem Internet gibt. Es gibt zwar in allen Zimmern einen Internetanschluss, aber kein W-Lan. Wozu auch, mag sich jemand gedacht haben, sind ja nur alte Schwestern! Aber da hatte die Hausleitung nicht mit Sr. Maria gerechnet. Halb erschrocken, halb empört sagte sie: „Kein W-Lan? Dann geh ich da nicht hin!“
Natürlich ist sie doch gegangen, es war nur ein erster Impuls. Aber er macht mir deutlich, dass unsere Schwestern eben nicht einfach weltfremd und dumpf vor sich hin trotteln. Maria hat lange Jahre als Kinderdorfmutter mitten in der Welt gestanden. Jetzt haben ihr ihre inzwischen längst erwachsenen Kinder ein I-Pad geschenkt – und sie hat sich damit vertraut gemacht, die Welt des Internet entdeckt und möchte das nicht mehr missen. Nur zu verständlich und in unserer Gemeinschaft auch völlig legitim.
Ich vermute, dass meine Schüler sich das nicht vorgestellt hatten, als sie nach der Entfernung von der „natürlichen Gesellschaft“ gefragt haben. Aber in gewisser Weise haben sie auch Recht, wenn sie vermuten, wir seien weltfremd. Bei allem Surfen im Internet, bei allem völlig selbstverständlichen Umgang mit der „Welt“, merke ich doch immer wieder, dass ich nicht so ganz dazugehöre. Nicht dazugehören will.
Es gibt Dinge, die muss ich nicht mitmachen, z.B. muss ich mich nicht schminken und nur minimal mit der Mode gehen. Es gibt Dinge, die verstehe ich nicht so richtig: manche Trends und Verhaltensweisen, manche Sprüche, Witze und Anspielungen. Und wenn ich mir sowas erklären lasse, dann merke ich ganz oft, dass ich es auch nicht vermisse. Ich sehe immer weniger fern und höre immer weniger Musik. Nicht weil mir das jemand vorschriebe, sondern weil ich die Stille schätzen gelernt habe, und weil ich viel von dem, was mir im TV angeboten wird, gar nicht mehr so lustig finde wie früher.
Ist das jetzt weltfremd?
Ja, ein Stück weit schon. Nicht allzu sehr, die wichtigen Dinge kriege ich mit, aber so ganz gehöre ich nicht mehr in diese Welt. Dazu habe ich inzwischen zu deutlich erfahren, wie viel mehr es noch gibt. – Und ganz ehrlich? Ich glaube, dass man nicht ins Kloster gehen muss, um die Sehnsucht nach diesem Mehr zu spüren. Viele Menschen sind nicht mehr zufrieden mit der „natürlichen Gesellschaft“. Und ein bisschen erstaunt war ich schon, dass ausgerechnet Jugendliche im besten Revoluzzeralter sich darüber wundern, dass uns das, was alle tun, nicht genug ist…
1 Comments
„Natürliche Welt“… hmmmm … was hat sie wohl damit gemeint? Bei uns ist jetzt gerade mal wieder Wahlkampf… da frag ich mich dann schon manchmal, ob wir eigentlich schon im selben Land leben, wenn ich die verschiedenen Wahlwerber so sprechen höre. Jeder hat so seine Sicht der Dinge, es gibt Leute, die sehen überall nur Medienevents, manche sind mehr in Hollywood oder in den Social Media zuhause während manche wieder überall und in allen Dingen Gott sehen….